Was, wenn es nur eine Steuer gäbe?

In den USA propagiert eine Bürgerbewegung die revolutionäre „Fair Tax“: Da gibt es nur noch eine Mehrwertsteuer, alle anderen Steuern werden abgeschafft.

Während hierzulande die Diskussion darüber begonnen hat, ob die Mehrwertsteuer erhöht werden soll, gibt es in den USA seit 15 Jahren eine Bewegung, die viel weiter gehen will: Die Americans for Fair Taxation, eine Massenbewegung mit – nach eigenen Angaben – 800.000 Mitgliedern kämpft für eine revolutionäre Umwälzung, nämlich für ein nationales Steuersystem, in dem es einzig und allein eine Verbrauchssteuer gibt.

Dieses Konzept erfreut sich der Unterstützung einiger Ökonomen, wurde 2005 im US-Kongress behandelt, war Thema eines Bestsellers und der Kern des Wahlprogrammes des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers Mike Huckabee in den Vorwahlen 2008.

Die Idee ist simpel: Alle nationalen Steuern (in den USA sind das rund zwei Drittel aller Steuereinnahmen) sollen durch eine Verbrauchssteuer ersetzt werden. Nicht nur die nationale Lohn- und Einkommenssteuer würde damit wegfallen, sondern auch die Erbschaftssteuer, die Beiträge zu Sozial- und staatlicher Krankenversicherung und die Körperschaftssteuern. Stattdessen würde jeder US-Bürger 30 Prozent Steuern auf jeden Einkauf zahlen müssen.

Zwei Vorteile dieses Systems sind sofort klar: Für viele Millionen Amerikaner und amerikanische Unternehmen fällt das zeitaufwendige Ausfüllen von Steuererklärungen weg. Und Sparsamkeit würde belohnt: Wer weniger konsumiert, zahlt weniger Steuern. Das ist auch eines der ideologischen Hauptargumente der Befürworter: Wohlstand werde erst beim Konsum manifest. Wer das Geld nicht ausgibt, stellt es ja über die Banken der Wirtschaft zur Verfügung und soll dafür nicht belastet werden.

„Unsozial!“ – „Mitnichten!“

Das häufigste Gegenargument ist, dass diese Steuer unsozial sei, weil sie den Ärmeren einen größeren Teil ihres Geldes wegnehme als den Reichen. Um diesen Einwand zu entkräften, sieht die Fair Tax eine staatliche Zahlung an alle Haushalte in Höhe von 30 Prozent des Existenzminimums vor. Ein Ehepaar mit drei Kindern würde etwa monatlich 606 Dollar als eine Art Steuerrückzahlung erhalten.

Das entlaste zwar die Ärmsten (die dann gar keine Steuer zahlen), sagen die Kritiker, sei aber dennoch nicht gerecht. Ein Banker, der 10 Millionen Dollar im Jahr verdient und nur 100.000 davon ausgibt, zahlt dafür 0,023 Prozent seines Einkommens. Ein Mittelklasse-Amerikaner mit 100.000 Dollar Jahreseinkommen, der zwei Drittel davon ausgibt, muss dem Fiskus hingegen 15,33 Prozent seines Einkommens überlassen.

Auch die Verheißung, nie mehr wieder mit dem verhassten Finanzamt (IRS – Internal Revenue System) zu tun haben zu müssen, wird von Kritikern relativiert: Künftig müssten selbst Babysitter eine Umsatzsteuererklärung ausfüllen. Gegenvorschlag der Fair-Taxler: Jeder, der Steuern abführt, bekommt gleichsam als Steuereinheber 0,25 Prozent der Summe als Honorar.

Noch nie sei, sagen die Anhänger, ein Steuerkonzept so sorgfältig wissenschaftlich untersucht worden wie ihres. Dennoch wird diese Idee wohl auch weiterhin ein absolutes Außenseiterdasein in der amerikanischen Politik führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2009)

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