EU entscheidet über Verfahren gegen Polen

(c) REUTERS (KACPER PEMPEL)
  • Drucken

Die EU-Kommissare treffen sich am MIttwoch zu einer brisanten Debatte. Sie entscheiden, ob gegen Polen das Rechtsstaatlichkeitsverfahren genutzt werden soll.

Wien/Brüssel/Warschau. Wenn sich das Brüsseler Kommissarskollegium am Mittwoch zu einer „Orientierungsdebatte“ versammelt, klingt das zunächst nach einem lange anberaumten Termin ohne konkrete Tagesordnungspunkte. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kommissare entscheiden am Mittwoch darüber, ob gegen Polen das erst 2014 eingeführte und bisher ungenutzte Rechtsstaatlichkeitsverfahren genutzt werden soll: Es handelt sich dabei um eine Art Frühwarnmechanismus, um mit dem betreffenden Land über Probleme beim Rechtsstaat zu sprechen – Sanktionen drohen vorerst nicht.

Sollten in dem mehrstufigen Verfahren aber Verstöße festgestellt werden und sich der Mitgliedstaat weigern, die Regeln zu befolgen, droht ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen europäische Grundwerte. Am Ende könnte nach Artikel 7 des EU-Vertrags der Entzug von Stimmrechten stehen: Für dessen Aktivierung bedarf es einer Vierfünftelmehrheit im EU-Rat und einer Zweidrittelmehrheit im Europaparlament. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will den Konflikt aber nach eigenen Worten nicht „überdramatisieren“ und glaubt vorerst nicht an die Anwendung dieser schärfsten Waffe der EU.

Anlass zur Sorge

Anlass zur Sorge gibt es mit Polens neuer Regierung bekanntlich. Unter anderem setzte die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ein Mediengesetz durch, nach dem die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender künftig direkt von der Regierung ernannt werden. Zudem wurde das Verfassungsgericht indirekt entmachtet.

Dennoch dürfte, so hieß es am Dienstag in Brüssel, vorerst kein offizielles Verfahren eingeleitet werden. Stattdessen könnte die Regierung in Warschau zur näheren Erläuterung der umstrittenen Gesetze aufgefordert werden. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Polen: Revolution in den staatlichen Medien

Die nationalkonservative Regierung in Warschau hat damit begonnen, in den Chefetagen von Staatsfernsehen und Radio politisch nahestehende Personen zu installieren. Die einfachen Redakteure sind im Sommer dran.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (Mitte) wird im Februar bzw. März in Warschau erwartet.
Europa

Rechtsstaat: Brüssel leitet Prüfung von Polen ein

Die EU-Kommission nutzt erstmals den Mechanismus wegen möglicher Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit. Der Vorwurf: Warschau ignoriere Urteile des Verfassungsgerichts.
Kommentare

Rechts vom Staat

Polens Problem ist vorerst nicht die Demokratie, aber der Rechtsstaat.
Jaroslaw Kaczynski
Europa

EU-Kommission leitet Verfahren gegen Polen ein

"Eine ernste Angelegenheit": Brüssel prüft Polens umstrittenen Reformen auf ihre Rechtsstaatlichkeit. Regierungschefin Szydlo ortet "Verleumdungen".
Am Wochenende protestierten Tausende in Warschau für Medienfreiheit. Sie setzen auf Hilfe der EU.
Europa

Rechtsstaat: Warschau riskiert Sanktionen der EU

Nach der Entmachtung der Verfassungsrichter und der Einflussnahme auf öffentlich-rechtliche Medien prüft Brüssel, ob die neue polnische Regierung in ausreichendem Maße europäische Grundwerte vertritt. Ein Überblick.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.