Anschlag in Istanbul: Ein Verdächtiger gefasst

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Alle zehn Todesopfer sind Deutsche. Berlin glaubt aber an einen Zufall. Der türkische Geheimdienst hatte vor einem Anschlag gewarnt.

Nach dem Selbstmordanschlag von Istanbul hat die türkische Polizei einen Verdächtigen gefasst. Der Mann sei am Dienstagabend festgenommen worden, erklärte der türkische Innenminister Efkan Ala am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen Thomas de Maiziere in Istanbul.

Die zehn Todesopfer sind deutsche Touristen einer 33-köpfigen Reisegruppe, wie das deutsche Außenministerium in Berlin mitteilte. Zudem würden noch sieben deutsche Verletzte in Krankenhäusern behandelt, davon fünf auf der Intensivstation. Außerdem gebe es drei Leichtverletzte, die noch am Mittwoch entlassen werden sollten. Zunächst war von zehn Toten und acht deutschen Todesopfern die Rede gewesen. Ala sprach außerdem von einem Norweger und einem Peruaner unter den Verletzten. Bei zwei verletzten Deutschen sei der Zustand "kritisch".

imago/ZUMA Press

Nach Einschätzung De Maizieres war der Anschlag nicht gezielt auf Deutsche gerichtet: "Nach bisherigem Ermittlungsstand liegen keine Hinweise darauf vor, dass der Anschlag gezielt gegen Deutsche gerichtet war." Er sehe daher "keinen Grund, von Reisen in die Türkei abzusehen", sagte der deutsche Innenminister. Touristen sollten aber die Hinweise des Auswärtigen Amts beachten.

Die türkische Regierung macht die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) für den Anschlag verantwortlich. Die türkische Polizei hat ihr Vorgehen gegen den IS im Land verschärft. Die Nachrichtenagentur DHA meldete am Mittwoch, im zentralanatolischen Konya seien vier mutmaßliche IS-Angehörige verhaftet worden. Ihnen werde vorgeworfen, der Terrormiliz Kämpfer zugeführt und diesen beim Grenzübertritt nach Syrien geholfen zu haben.

Auch bei einer Polizeioperation gegen den IS im südtürkischen Ferienort Antalya seien drei verdächtige russische Staatsbürger festgenommen worden, meldete DHA. Sicherheitskräfte hätten bei einer Durchsuchung Dokumente und Datenträger beschlagnahmt. Nach Angaben aus Moskau sind die drei festgenommenen Russen für ihre Kontakte zu Terrorgruppen bekannt, einer der Männer sei per internationalen Haftbefehl gesucht worden. Im westtürkischen Izmir wurden den Angaben zufolge sechs Verdächtige festgenommen und Waffen beschlagnahmt.

Ob diese Verhaftungen und Festnahmen in direktem Zusammenhang mit dem Anschlag von Istanbul standen, blieb unklar. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi meldete 68 Festnahmen bei Operationen gegen den IS. Davon fand der Großteil aber vor dem Anschlag von Istanbul statt. Innenminister Ala sprach von 220 IS-Verdächtigen, die in der Woche vor dem Istanbul-Anschlag festgenommen worden seien.

Selbstmordattentäer war registriert

Der Selbstmordattentäter befand sich laut Ala nicht auf einer Liste gesuchter Personen. Er sei aber bei den türkischen Einwanderungsbehörden registriert gewesen. Auch seine Fingerabdrücke seien dort vorhanden gewesen. Der Selbstmordattentäter soll syrischer Staatsbürger gewesen sein. Er soll laut Medienberichten in Saudi-Arabien geboren worden sein.

Der IS, der Teile des Irak und Syriens beherrscht, hat schon mehrere Anschläge in der Türkei verübt. Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien seien 3.318 Personen wegen des Verdachts der Unterstützung einer Terrororganisation festgenommen worden, sagte Ala. Außerdem seien 9.000 Einreiseverbote für Menschen aus 124 Länder ausgesprochen worden. Hintergrund der hohen Zahl ist vor allem, dass viele IS-Sympathisanten über die Türkei nach Syrien einreisen. In 387 Fällen seien Einreiseverbote gegen deutsche Staatsbürger ausgesprochen worden. Zudem seien 94 Deutsche aus der Türkei abgeschoben worden.

Geheimdienst warnte vor Terrorangriff

Vor dem Selbstmordattentat hat der türkische Geheimdienst MIT laut einem Medienbericht vor Terrorangriffen unter anderem auf Touristen im Land gewarnt. Die Zeitung "Hürriyet" berichtete, die Hinweise vom 17. Dezember und 4. Jänner seien an Sicherheitsbehörden im ganzen Land gegangen. In den Warnungen habe es geheißen, Selbstmordattentäter des IS seien ins Land eingedrungen. Sie könnten nach Istanbul oder Ankara weitergereist sein oder auch über die Türkei in andere europäische Länder ziehen. "Hürriyet" berichtete, in der Warnung heiße es, der "Islamische Staat" plane Selbstmordanschläge "auf in der Türkei lebende Nichtmuslime, Ausländer, Tourismusregionen, von ausländischen Besuchern stark frequentierte Orte oder auf Botschaften und Konsulate der entsprechenden Länder und auf NATO-Einrichtungen im Land".

Ala und De Maiziere erklärten, die Türkei und Deutschland wollten bei der Aufklärung der Tat und im Kampf gegen Terrorismus eng zusammenarbeiten. "Wir wissen, wir sind beide bedroht vom Terrorismus. Deshalb muss auch die Antwort eine gemeinsame sein", sagte De Maiziere. Beide Minister nannten etwa einen intensiveren Datenaustausch über Terrorverdächtige. De Maiziere verwies zudem auf die deutsch-türkischen Regierungskonsultationen am 22. Jänner in Berlin.

In Deutschland herrschten unterdessen Trauer und Entsetzen nach dem Anschlag. Touristen aus Hessen, Berlin, Brandenburg und Rheinland-Pfalz sind unter den Toten. Die Opfer aus einer Gruppe waren nach Angaben des Reiseveranstalters Lebenslust Touristik auf einer Drei-Länder-Erlebnisreise. "Ich verurteile dieses feige Verbrechen aufs Schärfste. Heute ist ein Tag des Innehaltens und der Trauer. Wir sind entschlossen, den Gefahren des internationalen Terrorismus entgegenzutreten", sagte etwa der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier." In Berlin wehten die Flaggen auf Behördengebäuden auf halbmast.

(Reuters/APA/dpa/red.)

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