Nordkorea: Wie Kim die Großmächte gegeneinander ausspielt

Diktator Kim Jong-un.
Diktator Kim Jong-un.(c) REUTERS
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Mit dem Atomtest ist es Kim Jong-un gelungen, in der heiklen Region Ostasien weiter Unruhe zu stiften: Zwischen China und den USA herrschen neue Spannungen, Seoul distanziert sich von Peking – und China ist ratlos.

Vom Weltwirtschaftsforum in Davos wurde Nordkoreas Außenminister wegen des Atomtests der vergangenen Woche nun zwar ausgeladen. Aber Diktator Kim Jong-un hat mit seinem nuklearen Muskelspiel einen (aus seiner Perspektive) außenpolitischen Coup gelandet: Er hat sich als effizienter Unruhestifter erwiesen. Kim hat es geschafft, in der bereits politisch angespannten Region Ostasien den Konkurrenzkampf zwischen den Großmächten weiter anzuheizen und in die schwierigen Beziehungen zwischen den Nachbarn eine destabilisierende Dynamik zu bringen.

Vor allem zwischen den Erzrivalen USA und China ist die Stimmung seit dem Atomtest (von dem Pjöngjang behauptet, es habe sich um eine Wasserstoffbombe gehandelt) noch gereizter als zuvor. US-Außenminister John Kerry brachte gleich Peking ins Spiel und bezeichnete dessen Nordkorea-Politik als gescheitert. China ist Nordkoreas mächtigster Verbündeter, das bitterarme Land hängt von chinesischen Nahrungsmittel-, Energielieferungen ab. Peking antwortete prompt, gab „US-Provokationen“ die Schuld am Atomprogramm.

China im Nordkorea-Dilemma

Kim könnte es gelungen sein, die beiden Giganten, die um Hegemonie in der Region kämpfen, zu neuen militärischen Machtdemonstrationen anzufeuern: Die USA wollen jetzt zusätzliche Rüstungsgüter nach Südkorea verlegen – offiziell, um den Alliierten vor dem stalinistischen Norden zu schützen. Doch Chinas KP ist überzeugt, die USA wollten vor allem ihre Präsenz in der Region weiter stärken. Befürchtet wird, der Nukleartest werde die Diskussion um die US-Raketenabwehr Thaad, die Washington gern in Südkorea errichten möchte, neu anfachen. Kein Wunder, dass China auf Ankündigungen einer US-Aufrüstung verschnupft reagierte: „Wir rufen alle Seiten auf, die Spannungen nicht weiter anzuheizen“, lautete die Botschaft für Washington.

Kim hat den mächtigen Partner in ein tiefes Dilemma gestürzt. Denn der Druck auf Peking wächst, härter mit Pjöngjang vorzugehen. Seit der Machtübernahme Kim Jong-uns 2011 sind die Beziehungen getrübt: Chinas Staatschef, Xi Jinping, traut dem unberechenbaren Diktator nicht und ist über dessen Alleingänge verärgert. Über den Nukleartest wurden die Chinesen offenbar gar nicht vorab informiert. Der selbstbewusste Kim wollte wohl auch eine Machtbotschaft nach Peking schicken: Er spekuliert darauf, dass China es sich nicht leisten kann, Pjöngjang fallen zu lassen. Tatsächlich will Peking einen Sturz des Kim-Regimes vermeiden. Nicht nur, weil es durch eine mögliche koreanische Wiedervereinigung einen mächtigen US-Verbündeten an der Grenze hätte, sondern auch, weil bei einer Destabilisierung des Nordens Millionen von Nordkoreanern nach China fliehen könnten.

Besonders freuen dürfte aber Kim, dass eine Abkühlung in der gerade erst entstandenen Freundschaft zwischen Seoul und Peking droht: Zuletzt bemühte sich Südkoreas Präsidentin, Park Geun Hye, intensiv um eine wirtschaftliche und politische Annäherung, auch in der Hoffnung, Nordkorea dadurch weiter zu isolieren. Park nahm sogar an der umstrittenen Militärparade zum Weltkriegsende in Peking teil. Nun wird der Ton wieder rauer: Park rief China dazu auf, „einen Beitrag zu leisten, um Nordkorea zu bestrafen“. In Südkorea herrscht Hochspannung: Am Mittwoch schossen Soldaten auf eine nordkoreanische Drohne, die in Südkoreas Luftraum eingedrungen war.

Wenig begeistert dürfte man in Peking über das gestrige Nordkorea-Treffen in Seoul gewesen sein. Vertreter Südkoreas empfingen Kollegen aus den USA und Japan, um härtere Sanktionen zu besprechen – was China ablehnt. Die Zusammenkunft hat eine symbolische Bedeutung: Sie soll das Bündnis der US-Alliierten zementieren. Vor Kurzem hatten die Erzfeinde Seoul und Tokio einen Streit über Entschädigungen im II. Weltkrieg beigelegt – wohl auch auf Druck der USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

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