Obama: Was von „Hope and Change“ blieb

US-Präsident Obama hielt in der Nacht auf Mittwoch seine achte und letzte Rede zur Lage der Nation.
US-Präsident Obama hielt in der Nacht auf Mittwoch seine achte und letzte Rede zur Lage der Nation.(c) REUTERS (POOL)
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US-Präsident Obama konnte die ideologische Spaltung im Land nicht überwinden. Sein letzter Auftritt im Kongress war ein Appell an den bürgerlichen Gemeinsinn.

Washington. Eine Verteidigung seiner zurückhaltenden Außenpolitik, eine Absage an Propheten des amerikanischen Niedergangs, ein Aufruf an die Amerikaner, ihren Bürgersinn wiederzuentdecken: Präsident Barack Obama hat in der Nacht auf Mittwoch mit seiner achten und letzten Rede zur Lage der Nation sein politisches Vermächtnis ebenso verteidigt, wie er die ideologischen Leitlinien geschärft hat, entlang derer seine Partei am 8. November erneut die Wahl um das Weiße Haus zu gewinnen hofft. Er warnte die Amerikaner vor dem verheerenden Einfluss des Geldes auf die Politik und appellierte an sie, einen Systemwandel voranzutreiben.

„Es ist eine der wenigen Sachen, die ich in meiner Präsidentschaft bedauere: dass der Hass und das Misstrauen zwischen den Parteien mehr statt weniger geworden sind“, sagte Obama vor den beiden Kammern des Kongresses, den Mitgliedern seines Regierungskabinetts und des Obersten Gerichtshofs, hohen Militärs sowie ausgewählten Gästen. „Bessere Politik erfordert nicht, dass wir in allem übereinstimmen müssen. Aber die Demokratie erfordert ein Grundvertrauen zwischen ihren Bürgern. Ohne den Willen zum Kompromiss kommt sie zum Stillstand. Unser öffentliches Leben verkümmert, wenn nur die extremsten Stimmen Aufmerksamkeit erhalten.“

Einfluss des Geldes verringern

Bemerkenswert direkt hat der Präsident eines jener Probleme angesprochen, das zu lösen er bei seinem Amtsantritt Anfang 2009 gelobt hat und an dem er gescheitert ist. „Wir müssen den Einfluss des Geldes in unserer Politik verringern, damit nicht eine Handvoll von Familien und versteckten Interessengruppen unsere Wahlen finanzieren können.“ Es sei einfach, zynisch zu werden und zu glauben, dass „Wandel unmöglich“ sei und „Politik hoffnungslos“. Doch Obama forderte die Bürger direkt auf, sich gegen die Mutlosigkeit zu stellen und politisch aktiv zu werden: „Wenn wir jetzt aufgeben, verspielen wir eine bessere Zukunft. Jene mit Geld und Macht werden noch größere Kontrolle über Entscheidungen erlangen, die einen jungen Soldaten in den Krieg schicken oder ein neues wirtschaftliches Desaster ermöglichen oder die gleichen Rechte beschneiden, für die Generationen von Amerikanern gekämpft haben und für die sie sogar gestorben sind.“

Aus Obamas Worten drang klar die Einsicht hervor, dass ein Einzelner das von reichen anonymen Gönnern und finanzstarken Interessengruppen kontrollierte politische System nicht ändern könne. Das ist spätestens seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs in der Sache Citizens United vs. US im Jahr 2010 klar. Dieses Urteil beseitigte so gut wie alle gesetzlichen Kontrollen über die offene und verdeckte Wahlkampffinanzierung. Im Zusammenspiel mit dem Umstand, dass fast alle Wahlbezirke für die Kongresswahlen so zurechtgeschnitten sind, dass die jeweiligen demokratischen beziehungsweise republikanischen Amtsinhaber fast ungefährdet wiedergewählt werden, werden diese zügellosen Geldströme auch den Handlungsspielraum des nächsten Präsidenten (oder der ersten Präsidentin) enorm beschneiden.

In Obamas Appell an den Bürgersinn und daran, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, spiegelten sich die Worte aus seiner ersten Rede zur Lage der Nation vom 24. Februar 2009 wider. „Ich weiß, dass jeder Amerikaner, der heute Abend hier sitzt, dieses Land liebt und will, dass es erfolgreich ist. Das muss die Grundlage sein, auf der das amerikanische Volk von uns erwartet, gemeinsamen Boden zu finden“, sagte er damals.

Außenpolitisches Selbstlob

Der Präsident pries auch seine zurückhaltende Außenpolitik. „Wir können nicht ständig versuchen, jedes Land, das in eine Krise fällt, zu übernehmen und wieder aufzubauen. Das ist eine Lehre von Vietnam, vom Irak – und wir sollten sie mittlerweile gelernt haben.“ Amerika werde heute „weniger von bösen Imperien“ als von zerfallenden Staaten bedroht. Die Terrororganisation des Islamischen Staats sei zwar eine „direkte Bedrohung für unser Volk“, doch er „bedrohe nicht unsere nationale Existenz“. Amerika sei jedenfalls die unangefochten stärkste Nation der Welt, hielt Obama fest: „Wir geben mehr für unser Militär aus als die nächsten acht Nationen zusammen. Um welche wichtige internationale Frage es auch geht: Die Völker der Welt suchen nicht in Peking oder Moskau nach Führung – sie rufen uns.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

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