Die Präsidentenwahl entscheidet auch über die Regierung

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Der Ausgang des Wahlkampfs um die Hofburg entscheidet das Schicksal Werner Faymanns und Reinhold Mitterlehners. Eine gefährliche Drohung.

Alles Wahlkampf also in den nächsten vier Monaten? Es steht zu befürchten. Die SPÖ gedenkt morgen, Freitag, aufzudecken, was längst nicht mehr geheim ist: wer als deren Kandidat für die Nachfolge Heinz Fischers in der Wiener Hofburg auserkoren wurde. Richtig, Noch-Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Zumindest deuten alle, aber wirkliche alle Anzeichen in diese Richtung. Eine erst am Mittwoch informell bestätigte kleine Regierungsumbildung im Team Werner Faymanns inklusive.

Die SPÖ hat eben weniger Talent als beispielsweise deren Regierungspartner, die österreichische Innenpolitik mit (teilweise unfreiwilligen) Unterhaltungselementen zu bereichern. Und Rudolf Hundstorfer fehlt ganz und gar das Spielerische eines Erwin Pröll, der ja kurzfristig abgesagt und damit ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner in Bedrängnis und Andreas Khol aus der bequemen zweiten Reihe nach vorn geholt hat.

Hingegen hatte der Bundeskanzler wahrlich Zeit genug, für Hundstorfers frei werdendes Ressort Ersatz zu finden. Wobei angemerkt werden darf: Dass der Kandidat für die Bundespräsidentenwahl das Ministerium überhaupt verlässt, hat ausschließlich strategische Gründe und viel mehr mit der Flucht vor Problemen wie Arbeitslosigkeit und Pensionsfinanzierung als mit der Notwendigkeit zu tun, eine ohnedies nur höchst imaginäre Unabhängigkeit zu simulieren.

SPÖ-Vorsitzender Faymann hat bei seiner Personalauswahl – auch diesmal – erschreckend wenig Fantasie und Gestaltungswillen unter Beweis gestellt. Einen spröden, medienscheuen Politiker wie Alois Stöger ausgerechnet an die Spitze des Sozialministeriums zu hieven, das die Kernkompetenz der Sozialdemokratie abdeckt, muss schon allein aus reiner SPÖ-Sicht zumindest verwundern. Ob die psychologische Binsenweisheit den Sachverhalt ausreichend erklärt, wonach schwache Führungspersönlichkeiten dazu neigen, sich mit schwachen Mitarbeitern zu umgeben? Wir wollen es getrost der SPÖ überlassen, sich mit derartigen SPÖ-Problemen zu beschäftigen. Aus übergeordneter, staatspolitischer Sicht aber schreien die Herausforderungen geradezu nach einem besonders starken Sozialminister.

Zurück zur innenpolitischen Gesamtsituation am Beginn 2016. Das bisher bekannte honorige Kandidatenquartett für die Bundespräsidentenwahl verspricht zwar interessante Auseinandersetzungen. Es birgt aber auch das Risiko, dass sich die Parteien, die Koalitionsparteien insbesondere, mit all ihrer verbliebenen Kraft ausschließlich dem Kampf um die Hofburg widmen werden. Durch Wo-anders-Hinschauen wird sich aber weder der Zustrom von Flüchtlingen nach Europa, also auch nach Österreich, verringern, noch werden sich die offenkundigen Schwächen bei der Aufnahme und Integration von Asylanten wie Wirtschaftsflüchtlingen beseitigen lassen, noch wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannen. Im Gegenteil.

Dieses Risiko des nun völligen Stillstandes einer ohnedies alles andere als dynamischen Regierungsarbeit ist nicht gering zu schätzen. Denn für Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner, die Chefs der beiden in Wahlen und Umfragen ohnedies bereits deutlich erodierten Regierungsparteien, eröffnet sich durch das Antreten von Alexander Van der Bellen, Irmgard Griss und einem noch zu benennenden FPÖ-Kandidaten die reale Gefahr, dass es einer der Ihren nicht einmal in die Stichwahl Ende Mai schaffen wird. Was ein derartiges Szenario für die Parteichefs bedeutete, ist unschwer abzusehen. Sie wären öffentlich und parteiintern in der Kritik und zumindest schwer angezählt.

Natürlich stoßen Fragen, wer wen wann weshalb und weshalb nicht als was auch immer angeloben würde, auf Interesse. Spielentscheidend für das Land und für die früheren Großparteien wird jedoch sein, ob es SPÖ und ÖVP trotz der Wahl doch schaffen, sich auf Maßnahmen zu verständigen, die Wohlstand, soziale Sicherheit und soziale Ruhe absichern. Dass sich derzeit so manches in Schieflage befindet, bestreiten nur ideologisch verblendete Realitätsverweigerer. Man muss nicht Pessimist sein, um zu ahnen, dass manches kippen könnte.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

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