"Charlie Hebdo" spottet über ertrunkenen Buben

A man reads the latest edition of French weekly newspaper Charlie Hebdo with the title ´One year on, The assassin still on the run´ on a cafe terrasse in Nice
A man reads the latest edition of French weekly newspaper Charlie Hebdo with the title ´One year on, The assassin still on the run´ on a cafe terrasse in Nice(c) REUTERS (ERIC GAILLARD)
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Die französische Satirezeitschrift bringt den ertrunkenen Ailan in Verbindung mit den sexuellen Übergriffen in Köln. In den sozialen Medien finden das viele Leser geschmacklos.

Wie weit darf Satire gehen? Diese Frage stellt sich angesichts eines Cartoons in der jüngsten Ausgabe der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ wieder einmal. In der Zeichnung wird gefragt, was aus dem Flüchtlingsbuben Ailan geworden wäre, wäre dieser nicht ertrunken. „Ein Hinterngrapscher in Deutschland“, antwortet „Charlie Hebdo“. Auf der Zeichnung sind junge Männer zu sehen, die einer schreienden Frau mit ausgestreckten Armen hinterherlaufen.

Via Twitter empören sich viele über den Cartoon. „Über den Tod eines Kindes und die Köln-Vorfälle sollte kein Satire-Magazin dieser Welt Witze machen. Auch nicht Charlie Hebdo“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer meint: „Charlie Hebdo sinkt auf ein neues Niveau“, ein anderer „einfach widerlich!“. Einige verteidigen den Cartoon und argumentieren, Satire dürfe das – und die Zeichnung sei Ausdruck der Meinungsfreiheit.

Darf #CharlieHebdo das? Zeichner #Riss bringt toten #Aylan und sexuelle Gewalt von #Köln in einen #Cartoon. pic.twitter.com/4EYiHBiHEq

— Dorothea Hahn (@DoraHahn) 13. Januar 2016„Charlie Hebdo“ war im vergangenen Jahr selbst Opfer eines Terroranschlags geworden, bei dem zwölf Menschen starben. Der Anschlag war Auftakt zu einer drei Tage währenden Terrorserie mit insgesamt 17 Opfern. Die erste Ausgabe des Magazins nach der Attacke mit der Karikatur eines um die Opfer trauernden Mohammeds erreichte mit mehreren Nachdrucken eine Auflage von fast acht Millionen Exemplaren. Die Zahl der Abonnenten stieg auf mehr als 200.000. Vor den Anschlägen hatten rund 30.000 Leser pro Woche das Blatt gekauft.

Zum Jahrestag Gott am Cover

Für die Sonderausgabe zum Jahrestag des Anschlags, die auf 32 anstatt der üblichen 16 Seiten erscheint, hat die Redaktion von "Charlie Hebdo" erneut eine provokante Titelseite gewählt. Sie zeigte vor schwarzem Hintergrund einen ganz in Weiß gehaltenen bärtigen alten Mannes mit dem göttlichen Dreieck und allsehendem Auge über dem Kopf. "Ein Jahr danach: Der Mörder ist noch immer auf der Flucht", steht darüber. Das weiße Gewand ist blutbefleckt, auf dem Rücken trägt die wegrennende Figur eine Schnellfeuerwaffe, wie sie bei den islamistischen Anschlägen verwendet wurde.

Schon vor Erscheinen der Sonderausgabe gab es daher Protest von Kirchenvertretern und konservativen Politikern.

Weitere Zeitung heftig debattiert

Vor einigen Monaten hatte schon einmal eine Zeichnung von Aylan für Kritik gesorgt: Damals hatte "Charlie" neben die Leiche des Kindes ein Fastfood-Werbeschild gesetzt und die Szene mit dem Kommentar "So nah am Ziel..." versehen.

Die Bilder des ertrunkenen Buben auf einem türkischen Strand waren im September um die Welt gegangen.

(Red./APA/dpa)

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