Rudolf Hundstorfer: Eine Frohnatur, kein Staatsnotar

Vom Gewerkschafter zum Präsidentschaftskandidaten der SPÖ: Rudolf Hundstorfer steht an der Schwelle zur Hofburg.
Vom Gewerkschafter zum Präsidentschaftskandidaten der SPÖ: Rudolf Hundstorfer steht an der Schwelle zur Hofburg.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Mit Rudolf Hundstorfer schickt die SPÖ einen facettenreichen Mann in die Hofburg-Wahl, der seine Karriere einem Skandal verdankt.

Wien. Als die Bawag im Mai 2007 an den US-Fonds Cerberus verkauft werden sollte, ging es für den Eigentümer ums Überleben. Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) brauchte das Geld, um seine Schulden begleichen zu können. Entsprechend blank lagen die Nerven vor der entscheidenden Sitzung. Nur einer ließ sich von der Stimmung nicht entmutigen: Seelenruhig, so wurde es überliefert, sei Rudolf Hundstorfer aufgestanden und habe erst einmal Tee für die Runde gekocht.

Vielleicht hat er schon geahnt, was kommen würde. Der ÖGB bekam für die Bank 2,6 Milliarden Euro, überstand seine Krise und ist heute einflussreicher denn je. Und auch mit Hundstorfers Karriere ging es von da an steil bergauf. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht sie heute, Freitag, wenn der 64-Jährige zum Präsidentschaftskandidaten der SPÖ gewählt wird. Ohne Bawag-Skandal wäre Hundstorfer vermutlich nie so weit gekommen.

Auf den ersten Blick ist der Bundespräsident in Rudolf Hundstorfer vielleicht nicht zu erkennen. Jedenfalls dann nicht, wenn man Heinz Fischer als Maßstab heranzieht. Man müsse das Amt – wie bei jedem Wechsel – neu denken, sagt Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, die von Hundstorfer einst in die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG) geholt wurde. Er wäre weniger der Präsident, der lange Reden zur Lage der Nation schwingt, dafür aber die Idealbesetzung für eine andere Aufgabe des Staatsoberhaupts: „Er würde international Geschäfte anbahnen und so dafür sorgen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden.“ Eine Art Sozialminister in der Hofburg also.

Seine soziale Intelligenz ist Hundstorfers größte Stärke – und vielleicht ein entscheidender Vorteil bei dieser Wahl. Auf der intellektuellen Ebene wird er eine Irmgard Griss, einen Andreas Khol, einen Alexander Van der Bellen nicht schlagen können, aber in der Disziplin Volksnähe hat er den anderen einiges voraus. Als GdG-Chef pilgerte Hundstorfer am 24. Dezember traditionell durch das AKH und schüttelte allen, die Dienst machen mussten, die Hände.

Auch für ein Späßchen ist er immer zu haben, vor allem, wenn es einem guten Zweck dient. Bei einer Benefizveranstaltung der Cliniclowns vor einigen Jahren sang Hundstorfer im Duett mit Oberhauser die Doris-Day-Nummer „Que Sera Sera“. Davor habe man nur einmal geprobt, und das Singen sei nicht jedermanns Sache, erzählt Oberhauser: „Umso mutiger war es. Ich rechne ihm das hoch an.“

Im Sozialministerium, das er seit 2008 führt, kombinierte Hundstorfer diese Frohnatur mit gesundem Selbstvertrauen und einer Portion Schlitzohrigkeit. Sachpolitisch waren andere Minister fitter als er. Oft ließ er sich erst kurz vor einem Auftritt briefen, verkaufte die Themen dann aber so, als hätte er sich schon ewig damit beschäftigt.

Mitunter führte das dazu, dass er sich überschätzte. So schnürte er im Frühjahr 2014 mit seinem alten Sozialpartnerkumpel Reinhold Mitterlehner ein Paket, das flexiblere Arbeitszeiten bringen sollte. Die Rechnung hatte Hundstorfer jedoch ohne seinen früheren Arbeitgeber gemacht. Es ist eines der wenigen Beispiele, bei denen er nicht in Abstimmung mit dem ÖGB agierte.

Öffentlich gibt Hundstorfer, den sie in der Gewerkschaft einst „den schönen Rudi“ nannten, gern den Sunnyboy. Er kann charmant sein, aber auch ganz anders, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen läuft. Hundstorfer ist das, was der Wiener ein Häferl nennt. Genauso schnell kühlt er allerdings wieder ab: „Er entschuldigt sich in der Sekunde, wenn er merkt, dass die Reaktion überzogen war“, weiß Oberhauser aus Erfahrung zu berichten.

Dem Rathaus treu ergeben

Unnachgiebig ist Hundstorfer, wenn es darum geht, bestimmte Posten zu besetzen. Als das Wiener AMS einen neuen Geschäftsführer suchte, installierte er mit Petra Draxl eine Mitarbeiterin aus dem Sozialministerium. Dabei war er nicht den Empfehlungen der externen Personalberater gefolgt, sondern jenen des Wiener Rathauses.
Dort hatte der gebürtige Floridsdorfer seine Karriere einst als Kanzleilehrling begonnen. Das Netzwerk, das er seither gesponnen hat, gilt als legendär. Hundstorfers Kontakte reichen tief hinein in den Beamtenapparat, bis hinunter zum kleinsten SPÖ-Funktionär. Er kennt alle. Und alle kennen ihn.

Auch deshalb war er, wenn es in der SPÖ wieder einmal schlecht lief, schon als Wiener Bürgermeister und Kanzler im Gespräch. Letzterer wird ja – im SPÖ-Fall – von der Wiener Landespartei und den Gewerkschaftern bestellt. Hundstorfer hätte also ganz gute Chancen gehabt. So gesehen entledigt sich Werner Faymann auch eines Konkurrenten, wenn er Hundstorfer jetzt Richtung Hofburg schickt. Und das, soweit man weiß, ohne Auffangnetz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2016)

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