Krise? Welche Krise? Die OMV hat derzeit andere Prioritäten

(c) Bloomberg (Akos Stiller)
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Mehr als auf das Krisenmanagement konzentriert sich die OMV auf die geplanten Milliarden-Deals mit Russland.

Wien. Keine Branche stöhnt momentan mehr unter der Last des gesunkenen Ölpreises als die Produzenten des schwarzen Goldes selbst. Fast im Tages-, zumindest aber im Wochentakt geben daher Ölgesellschaften aus aller Welt wie BP, Royal Dutch Shell oder Chevron bekannt, welche Einschnitte sie in ihrer Kosten- und Investitionsstruktur sowie in Form von massenhaftem Personalabbau vornehmen, um der harten Realität standzuhalten. Umso mehr fällt auf, dass die OMV, Österreichs größter Industriekonzern, seit Monaten nahezu nichts Konkretes hinsichtlich weiterer Maßnahmen zur Krisenbekämpfung öffentlich verlautet. Auch was jene für das angelaufene Jahr 2016 betrifft, gibt man sich immer noch weitgehend bedeckt.

Dabei herrscht akuter Handlungsbedarf. Die Situation des Ölpreises hat sich seit dem Herbst dramatisch verschärft – seit Mitte Oktober befindet sich dieser konsequent unter 50, seit Anfang Dezember unter 40 und nun in der Gegend von 30 Dollar je Barrel. „Entsprechend dem niedrigen Ölpreisniveau ist davon auszugehen, dass wir auch die Investitionen anpassen werden“, sagt die OMV auf Anfrage der „Presse“. Und weiter: „Die OMV muss in den kommenden Monaten noch härter daran arbeiten, die Kosten zu reduzieren. Im Vordergrund stehen dabei Senkungen bei den laufenden Kosten, das betrifft vor allem das eingesetzte Material. Auch Explorationsaufwendungen werden laufend neu evaluiert.“ Jedenfalls „läuft kein Personalreduktionsprogramm mit einem konkreten Ziel“.

Konkret ist das Unternehmen nur mit der Ankündigung geworden, bis zu 49 Prozent der Anteile an der OMV-Tochter Gas Connect Austria zu verkaufen. „Weitere Überlegungen zum OMV-Portfolio können ab 18. Februar 2016 diskutiert werden, nachdem die OMV die überarbeitete Strategie präsentiert hat“, so die Antwort.

Noch gibt sich der neue Konzernchef, Rainer Seele, hinsichtlich dieser Strategie genauso bedeckt wie hinsichtlich des akut notwendigen Krisenmanagements. Lieber spricht er in der Öffentlichkeit über den vor dem Abschluss stehenden, milliardenschweren Tausch von Vermögenswerten (Asset-Swap) zwischen der OMV und dem russischen Gaskonzern Gazprom sowie die Teilnahme der OMV am Ausbau der russischen Ostseepipeline Nord-Stream (Nord-Stream2). Ein Umstand, der Insidern zufolge taktischer Natur sein könnte, um den Betriebsrat für die bevorstehenden Deals mit den Russen günstig zu stimmen und nicht durch etwaige Einsparungsvorhaben gegen sich aufzubringen.

Gewiss, die OMV hat sich schon vor Seeles Berufung aus Deutschland nach Wien auf die neuen Realitäten der Rohstoffmärkte einzustellen begonnen. „Fit for fifty“ nannte Seeles Vorgänger Gerhard Roiss das Sparprogramm, mit der er im Frühjahr 2015 den Konzern auch für einen Ölpreis bei 50 Dollar fit machen wollte.

Von daher rühren auch jene Maßnahmen, die im Vorjahr noch vor Seele gesetzt worden sind. So erwartet das Unternehmen – wie es im Ausblick des jüngsten Quartalsberichtes im Herbst hieß – für das gesamte Geschäftsjahr 2015 rund 2,7 Mrd. Euro an Investitionen, während es in den Jahren davor jährlich bis zu knapp vier Mrd. Euro waren.

Auch hat der Konzern durch die Absicherung gegen einen Ölpreisverfall (branchenübliches Ölpreis-Hedging) im Vorjahr 86 Mio. Euro lukriert. Auffälligerweise laufen derzeit laut Konzernauskunft „keine strategischen Ölpreishedges“, nachdem die Hedgingpositionen im Vorjahr geschlossen worden sind.

Seele selbst hat, um die Situation in den Griff zu bekommen, im dritten Quartal Sonderaufwendungen von etwa einer Mrd. Euro geltend gemacht, die den Überschuss auf 472 Mio. Euro ins Minus gedrückt haben. Im Übrigen hat sich die OMV Geld geholt und im November eine Hybridschuldverschreibung im Gesamtvolumen von 1,5 Mrd. Euro begeben. Schließlich warten auf der Ausgabenseite große Brocken: Für die Erschließung des sibirischen Urengoj-Feldes im Anschluss an den Asset-Swap wird die OMV milliardentief in die Taschen greifen müssen. Auch die Beteiligung an Nord-Stream2 wird teurer. Und Rückflüsse aus beiden Engagements sind erst in Jahren zu erwarten. „Wir stehen zu unseren Investitionen, auch wenn wir jetzt einen Ölpreis unter 40 Dollar haben“, sagte Seele schon Mitte Dezember: An den Russland-Projekten werde man jedenfalls festhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2016)

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