Türkei verhaftet Intellektuelle wegen "prokurdischer" Propaganda

Kurden gedenken der Opfer der blutigen Auseinandersetzungen.
Kurden gedenken der Opfer der blutigen Auseinandersetzungen.APA/AFP/STR
  • Drucken

Die 21 Wissenschafter haben die Regierung für ihr Vorgehen in Kurdengebieten kritisiert. Sie hätten sich auf Seite der Terroristen gestellt, sagt Erdogan.

Die Türkei hat 21 Akademiker festgenommen, die eine "Friedensdeklaration" unterzeichnet hatten. Die türkische Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen die Intelektuellen eingeleitet, weil sie die Regierung für ihr Vorgehen in den Kurdengebieten kritisiert haben. Wie staatliche Medien berichteten, lautete der Vorwurf auf "Terrorpropaganda".

Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi gehören die Beschuldigten zur Universität von Kocaeli nahe der Metropole Istanbul. Sie wurden demnach in der Früh in ihren Wohnungen festgenommen. Zuvor waren wegen der Petition Ermittlungen gegen etwa 1200 Akademiker von rund 90 türkischen Universitäten wegen "Beleidigung des Staats" eingeleitet worden. Staatschef Recep Tayyip Erdogan kritisierte das Dokument heftig.

Hintergrund der Ermittlungen ist eine Erklärung von mehr als 1.000 türkischen und ausländischen Akademikern vom Montag. Auch der US-amerikanische Sprachwissenschafter Noam Chomsky und der Sozialwissenschafter Immanuel Wallerstein unterstützen die Deklaration. Der Titel der Petition lautet: "Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein." Darin fordern sie die Regierung dazu auf, Bedingungen für eine friedliche Beilegung des Kurdenkonflikts zu schaffen. Sie warfen der Regierung zudem eine "Vernichtungs- und Vertreibungspolitik" im kurdisch geprägten Südosten der Türkei vor.

"Bande, die sich selbst Akademiker nennen"

Seit einem Monat geht die Armee im Südosten der Türkei in einer Offensive gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor. Dabei sind bisher Hunderte PKK-Kämpfer und nach Oppositionsangaben mehr als 100 Zivilisten getötet worden. Erst in der Nacht auf Donnerstag sind bei einem Autobombenanschlag der verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) auf eine Polizeistation in der südosttürkischen Provinz Diyarbakir mindestens sechs Menschen getötet und 39 weitere verletzt worden.

Schon kurz nach der Veröffentlichung des Aufrufs hatte Erdogan die Akademiker scharf kritisiert und ihnen Unterstützung der PKK vorgeworfen. Nun legte er nach: "Eine Gruppe, eine Bande, die sich selbst Akademiker nennt, hat ihrem Staat und ihrem Volk gegenüber Gift und Galle gespuckt, indem sie sich an die Seite der Terrororganisation gestellt hat", sagte Erdogan am Donnerstag in Ankara.

Die Universität Düzce in der gleichnamigen Schwarzmeerprovinz erklärte auf ihrer Website, eine Lehrperson, sei wegen der laufenden Ermittlungen vorrübergehend vom Dienst suspendiert worden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA handelt es sich dabei um eine Dozentin in Fachbereich Soziologie.

(APA/dpa/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

 Cemil Bayık und Wieland Schneider
Außenpolitik

PKK-Chef: "Wir lassen uns nicht zur Schlachtbank führen"

Kurdenführer Cemil Bayık vergleicht Erdoğan mit Assad, kritisiert die Nato-Militärhilfe für die Türkei und fordert Druck der EU, um den Krieg zu stoppen.
Außenpolitik

Ankaras Angst vor kurdischen "Kantonen"

Die Eskalation der Gewalt in den Kurdengebieten beschleunigt die Massenflucht. Die Armee und die PKK gehen mit wachsender Grausamkeit gegeneinander vor. Autonome Zonen der Kurden in Syrien lösen Argwohn aus.
Bild aus Cizre
Außenpolitik

Türkische Sicherheitskräfte töten kurdische Rebellen

Die Armee geht in den Kurdengebieten seit Dezember mit aller Härte gegen Aktivisten vor. Am Wochenende starben wieder 32 Rebellen.
Im Südosten der Türkei liefern sich Aufständische und Armee täglich Gefechte.
Außenpolitik

"Die Türkei nähert sich einem Bürgerkrieg"

Noch nie seien die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Regierung derart eskaliert, meint der Türkei-Experte Gareth Jenkins.
Symbolbild: Flagge der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)
Außenpolitik

PKK-Mitgliedschaft: 15 Jahre Haft für türkischen Stadtchef

Der Bürgermeister einer kurdischen Stadt wurde wegen der "Unterstützung und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" schuldig gesprochen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.