Der Ölschock der etwas anderen Art

Raffinerie Schwechat
Raffinerie Schwechat(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Bleibt der Rohölpreis länger am Boden, geraten nicht nur die Aktienmärkte in ernste Probleme.

Der Ölpreis hat also die 30-Dollar-Marke nach unten durchschlagen und wir werden wohl nicht allzu lange warten, bis er an der 20-Dollar-Marke kratzt. Inflationsbereinigt sind wir damit bei Energiepreisen, wie wir sie zuletzt vor der ersten Ölkrise in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts gesehen haben.

Das müsste eigentlich die Wirtschaft stimulieren, oder? Wer so denkt, zäumt das Pferd von hinten auf. Es ist nicht so, dass die Weltwirtschaft trotz des niedrigen Ölpreises schwächelt. Sondern die Ölpreise sind so niedrig, weil hier konjunkturbedingt schwache Nachfrage auf eine nicht angepasste Produktion trifft. Und die Produktion, das haben wir schon in früheren Krisen erfahren, lässt sich nicht geordnet zurückfahren, wenn wichtige Förderländer ihre Budgets mit Preisannahmen in der 100-Dollar-pro-Barrel-Region erstellt haben und jetzt bei unter 30 Dollar finanziell aus dem letzten Loch pfeifen.

Was heißt das für Konjunktur und Finanzmärkte? Nichts Gutes, das ist klar. Wie gravierend die drohende Krise wird und wie stark sie auf den ganzen Globus übergreift, wird davon abhängen, wie lange die Schwäche dauert. Wir müssen jedenfalls damit rechnen, dass für die Weltwirtschaft wichtige Volkswirtschaften in ernste Probleme geraten. Zuvorderst Russland, dessen Regierung die Bevölkerung verbal ja schon auf ein Blut-und-Tränen-Budgetprogramm vorzubereiten beginnt.

Russland beginnt relativ schnell zu wackeln. Aber wenn die Preisschwäche länger dauert, dann droht eine Destabilisierung der Arabischen Halbinsel. Die dortigen Herrscherhäuser haben sich politische Stabilität bei ihren Bevölkerungen mit allen möglichen Goodies – von Treibstoffsubventionen bis zu Quasi-Nullsteuern – erkauft. Ist das nicht mehr leistbar, geht der Kessel hoch.

Das wird dann wirklich dramatisch. Denn diese Länder sitzen nicht nur auf riesigen Ölreserven, um die dann der Kampf losgeht. Sie sind auch wichtige Player in den westlichen Industriestaaten. Die Staatsfonds aus den diversen Emiraten und Königreichen haben die Ölmilliarden ja in großem Stil in den USA und Westeuropa angelegt und sind an zahlreichen großen börsenotierten Konzernen (unter anderem auch an der OMV) substanziell beteiligt. Sollte diese Region instabil werden, dann sind Analystenszenarien für die Aktienmärkte wie die in obiger Geschichte beschriebenen durchaus real.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Themenbild
International

Ölpreis fällt auf tiefsten Stand seit 2003

Da mit der Aufhebung der Sanktionen der Iran wieder mehr Öl verkaufen kann, erhöht dies auch den Abwärtsdruck auf die Preise.
Premier Medwedjew und Rosenft-Chef Igor Setschin
International

Wegen Ölpreisverfall: Russland muss Teil von Rosneft verkaufen

Anteile von rund einem Fünftel des mehrheitlich staatlichen Ölkonzerns sollen abgestoßen werden: "Wir müssen den Staatshaushalt mit neuen Realitäten und schrumpfenden Mitteln konstruieren."
Views Of Tankers & Refineries As Oil Trades Near 12-Year Low
International

Ölpreis wieder unter 30 Dollar gefallen

Die Preise für die US-Sorte WTI und für das Nordsee-Öl Brent fielen zwischenzeitlich auf den tiefsten Stand seit 2003.
International

Billiges Erdöl hilft uns nicht mehr

Ein Fass Erdöl kostet nur noch ein Fünftel des Preises von 2008. Doch die erhoffte Spritze für die weltweite Konjunktur bleibt aus. Warum das alte Schmiermittel der Wirtschaft seine Kraft verliert.
International

Klimakiller Ölpreis: Wie die Opec die Erderwärmung befeuert

Je länger der Ölpreis extrem niedrig bleibt, desto stärker bremst er die Energiewende aus. Dabei zeigt eine aktuelle Umfrage, wie interessiert die Österreicher an Alternativen zu fossilen Brennstoffen sind – freilich vorausgesetzt, dass auch sie billiger werden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.