Do It Yourself, Pay It Yourself: Selbstgemacht ist nicht billiger

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Nähen, Seifensieden, Möbel bauen: Unser Drang zum Selbermachen ist ungebrochen. Anfänger sollten aber wissen, Geldsparen lässt sich mit DIY eher nicht. Ein Erfahrungsbericht.

Das Rezept lässt keinen Zweifel. Für die Herstellung einer Zimtzahnpasta braucht es Zimt, Öl, Wasser und auch einen Teelöffel „weiße Lavaerde oder feinste Heilerde“. Es ist nicht das erste Mal, dass das passiert. Wer seine Kosmetikprodukte selbst herstellen will, der findet in fast jedem Rezept mindestens eine Zutat, die er nicht zu Hause hat und erst einmal besorgen muss. Heilerde, lerne ich, ist im gängigen Drogeriemarkt in Österreich nicht so einfach zu bekommen. Im Endeffekt verkauft mir die Apotheke ein ganzes Kilo um zwölf Euro. Das reicht für 250 Portionen Zimtzahnpasta nach Rezept.

Wer so wie ich seinen Spaß daran hat, Dinge selbst herzustellen, der lernt gleich zu Beginn eines: Selbermachen ist nicht billiger. Seit drei Jahren nähe, stricke und besticke ich Kleidung und Polster selbst. Ich züchte Thymian, Melisse, Lavendel und braue daraus Hustentee und beruhigende Tinkturen. Ich vermische Ringelblumen, Olivenöl und Kakaobutter zu Salben, schmiere mir Joghurt, Milch und Honig als Maske ins Gesicht, und demnächst steht das Seifensieden bei den Eltern in Oberösterreich an. Die Wäsche in meinem Schrank ist mit selbst gemachtem Waschmittel (Soda, Kernseife, ätherische Öle) gewaschen, die Fenster wurden (zumindest im Vorjahr) mit einem Gemisch aus Essigessenz geputzt.

Gute Produkte, gute Zutaten. Finanziell zahlt sich das überhaupt nicht aus. Wer gute Produkte haben will, der muss in gute Zutaten investieren. Und meistens und logischerweise zuerst auch noch in das Werkzeug. Eine Nähmaschine kostet (im billigsten Fall) um die 100 Euro. Wer auf die Overlock (mit der ein Großteil der im Handel gefertigten Kleider genäht wird) und ihre speziellen Nähte steht, der legt noch einmal 300 Euro drauf. Beim Material ist es nicht besser. Wer schönen Stoff will (knittert nicht, ohne Kunstfaser, sieht nach drei Mal waschen nicht wie ein Putzfetzen aus), reicht der Verkäuferin schnell einmal 20 bis 40 Euro pro Laufmeter über den Tisch. Hinzu kommen Schnitte, Reißverschluss, das farblich passende Nähgarn. Das erste Jeanskleid, das ich mir selbst genäht habe, hat 80 Euro in der Anschaffung gekostet. Die Zeit für das Nähen noch nicht eingerechnet. Das Verständnis dafür, warum Kleider nur mehr selten in Österreich produziert werden, wird da auf einmal ganz groß.

Dabei ist es genau das, was beim Selbermachen mitschwingt. Die Freiheit, Dinge selbst zu gestalten, sich unabhängig von Markt und Trends zu bewegen. Wissen, was drinnen ist – und kosten tut es, wie einem oft suggeriert wird, auch nicht viel. Immerhin produziert man die Dinge fast selbst: Bei Heilmitteln wird damit gearbeitet, was in der Natur da ist, oder die Kräuter werden selbst gezogen, so ein Rock braucht auch nicht viel Stoff, und bleiben Lebensmittel- oder Stoffreste über, kann man die ja noch schnell verwerten. Die Heilerde muss ja nicht für Zahnpasta verwendet werden – sie ist sicher auch Bestandteil eines anderen Rezepts. Dass das dann sicher wieder eine Zutat beinhaltet, die man nicht zu Hause hat, entdeckt man als Anfänger erst später.

Mehr Bücher. Denn unser Drang zum Do-It-Yourself (DIY), wie die Selbermach-Bewegung im Englischen schneidig heißt, ist ungebrochen. Zu jedem Weihnachtsfest wird der Tisch mit Nachschlagwerken zu DIY im Buchgeschäft größer: Patchwork, Filzen, Häkeln, Quilten, Naturkosmetik, Seifensieden – alles kann man selbst machen. Kräuterliköre ansetzen, Lampen herstellen, Tische, Betten und Kommoden schreinern – für alles gibt es eine Anleitung. Die Ergebnisse zeigen die Macher dann oft stolz her: Blogs und Pinterest-Accounts mit Bildern von selbst Genähtem, Gezimmertem, Geklebtem sind ein nie versiegender Quell von Inspiration, Bewunderung und Frustration – wenn man es selbst nicht so gut schafft.

Läuse, Maden, Fettbrand. Denn was bei solchen Projekten alles schief gehen kann, ist bei anderen ja selten zu sehen. Im ersten Jahr haben meine zwölf Kräutersetzlinge, die ich mir in einem Nachmittags-Einkaufsmarathon vom Gärtner geholt habe, Läuse gekriegt. Ein Großteil der Ernte war trotz Schmierseifenattacke hin. Die Kirschkerne vom Baum meiner Eltern, mit denen ich mir gleichnamige Säckchen nähen wollte, haben Maden mitgebracht, die daraufhin in der Wohnung herumgekrochen sind. Wie man stark verschmutzte Kirschkerne von Fruchtfleisch reinigt, weiß ich bis heute nicht, dafür, wie man eine Wohnung von Maden befreit. Mein heiliges, selbst genähtes Jeanskleid, das ich wirklich gern trage, hat in Wahrheit zwei (gut gestopfte) Löcher und ist um die Schultern zu groß. Die gestrickte Wollhaube, die ich einer Freundin zum Geburtstag schenkte, war dafür wieder zu klein. Den Fettbrand, den ich vorigen Sommer im Haus meiner Eltern beim Salbenmixen fast fabrizierte, hab ich den beiden bis heute noch nicht gebeichtet. Dass ich mir die leicht verbrannt riechende Salbe (die schöne Kakaobutter!) trotzdem eine Zeit lang auf Füße und Arme geschmiert habe, zeichnet mich als tapfer aus.

Hätte ich mir alles gekauft, ich wäre wohl finanziell, zeitlich und nervlich besser ausgestiegen. Und trotzdem will ich damit nicht aufhören. Denn wer selbst macht, der lernt. Kleider aus Kunstfaser kann ich mittlerweile mit einem Handgriff erkennen, schlampige Nähte erspähe ich meist auch. Wenn der Schnitt nicht ganz passt, gibt es nun die Möglichkeit, die Kleider zu adaptieren. Sind sie zu billig (Material, wo genäht?), schrillen bei mir die Alarmglocken, sind sie zu teuer, auch. Überhaupt hat sich die Haltbarkeit aller Stoffprodukte in meiner Umgebung erhöht. Das Loch im T-Shirt wird genäht, die Hose gekürzt, der Vorhang auch.

Und die Ergebnisse sind oft kleine Lichtblicke: Die Gesichtsmaske und die selbst gemachte Zahnpasta sind unangefochten besser als jedes bisher gekaufte Produkt. Mein Jeanskleid finden (bis auf eine Ausnahme) eigentlich alle toll. Und die Freundinnen freuen sich über die gestrickten Hauben – wenn man sie einmal verlängert hat. Außerdem entspannt das Handwerken, Mischen und Mixen. Es ist ein großartiges Hobby. Ein teures halt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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