Menschenrechtsgruppe: Boykott jüdischer Siedlungen

APA/AFP
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Human Rights Watch appellierte, Waren aus jüdischen Siedlungen zu boykottieren. Der US-Botschafter in Israel kritisierte die Siedlungspolitik Israels ungewöhnlich scharf.

Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch hat ausländische Firmen in aller Welt dazu aufgerufen, die Zusammenarbeit mit den israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland zu vermeiden oder zu beenden. Ausländische Firmen mit Geschäftsbeziehungen zu den Siedlungen würden "ein von Natur aus rechtswidriges und missbräuchliches System" stützen, kritisierte die Organisation.

In einem umfangreichen Bericht von Human Rights Watch (HRW) heißt es: "Israels Vorzugsbehandlung für die eigenen Siedler erstreckt sich auf praktisch jeden Aspekt des Lebens im Westjordanland." HRW-Direktor Arvind Ganesan erklärte, "nur mit einer Beendigung jeglicher Aktivität mit und in den israelischen Siedlungen können Unternehmen ihrer Verantwortung gerecht werden, die Menschenrechte zu beachten".

"Die wirtschaftliche Tätigkeit der Siedlungen befördert unvermeidlich die israelische Strategie, die Palästinenser zu enteignen und hart zu benachteiligen, indem Israel deren Land und andere Ressourcen stiehlt", erklärte Ganesan weiter. Die israelische Zivilverwaltung für das Westjordanland, die dem Verteidigungsministerium untersteht, wollte keine Stellungnahme zu dem Bericht abgeben.

Eine halbe Million israelischer Siedler

Die israelische Armee hatte das Westjordanland und Ost-Jerusalem im Sechstagekrieg 1967 besetzt. Seitdem haben sich dort mehr als 500.000 israelische Siedler niedergelassen. Die Ansiedlung eigener Bevölkerungsgruppen in eroberten Gebieten verstößt gegen das in der Vierten Genfer Konvention verbriefte Völkerrecht.

Der HRW-Report untersucht insbesondere die Wirtschaftstätigkeit von Geldinstituten und Immobilienfirmen in den besetzten palästinensischen Gebieten. Auch die Abfallentsorgung, der Abbau von Bodenschätzen, Steinbrüche und die von Siedlern betriebene Agrarwirtschaft auf 9.300 Hektar palästinensischen Lands werden beleuchtet. Zur Siedlerwirtschaft gehören auch rund eintausend Produktionsstätten in 20 Gewerbegebieten.

An die Staaten der Welt appellierte Human Rights Watch, sie sollten sicherstellen, dass Produkte und Agrarerzeugnisse aus den Siedlungen nicht als "Made in Israel" etikettiert werden. Zudem sollten solche Produkte aus bilateralen Zollabkommen ausgenommen werden, israelische Behörden sollten keine Zertifikate für diese Waren ausstellen dürfen. In der EU werden diese Empfehlungen in jüngster Zeit zunehmend umgesetzt, in Österreich geht dies jedoch nur schleppend voran.

"Mit zweierlei Maß"

Der US-Botschafter in Israel hat die Siedlungspolitik des jüdischen Staates ungewöhnlich scharf kritisiert. Zu häufig werde nichts gegen Siedlergewalt unternommen, bemängelte Dan Shapiro bei einer Konferenz in Tel Aviv. "Manchmal erscheint es, als messe Israel im Westjordanland juristisch mit zweierlei Maß - einem für Juden und einem für Palästinenser", sagte der Botschafter laut der Zeitung "Haaretz".

Eine Zwei-Staaten-Lösung sei weiterhin die einzige Lösung, betonte Shapiro. Die US-Regierung sei "besorgt und bestürzt" über die israelische Siedlungspolitik, die "Fragen über Israels Absichten" aufwerfe.

Empörung bei Netanjahu

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu reagierte darauf empört. "Die Äußerungen des Botschafters seien "inakzeptabel und falsch", sagte er.

Die Gewalt geht indessen unvermindert weiter. Am Montag verletzte ein palästinensischer Attentäter eine schwangere Frau in der Siedlung Tekoa und wurde anschließend selbst durch Schüsse von Sicherheitskräften verletzt. Zwei Tage nach dem Mord an einer sechsfachen Mutter hat Israel einen palästinensischen Jugendlichen als Tatverdächtigen gefasst. Der Minderjährige sei in der Ortschaft Jatta nahe Hebron festgenommen worden, berichteten israelische Medien. Er wird verdächtigt, in der nahegelegenen Siedlung Othniel am Sonntag eine Frau vor den Augen ihrer Kinder ermordet zu haben. Die sechsfache Mutter war erstochen worden, als sie den Angreifer daran hinderte, in ihr Haus einzudringen..

Das US-Außenministerium verurteilte die Anschläge auf die Frauen in schärfster Form. "Diese schrecklichen Vorfälle unterstreichen die Wichtigkeit positiver Schritte, um die Ruhe wiederherzustellen, die Spannungen zu verringern und ein sofortiges Ende der Gewalt zu erzielen", sagte Sprecher John Kirby. Bei einer Welle der Gewalt sind seit Anfang Oktober mehr als 20 Israelis und mehr als 150 Palästinenser getötet worden.

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