Schauspielerin Katharina Straßer: "Die Lola ist wie die Amy Winehouse!"

(c) APA (Robert Jäger)
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Wie ein Komet ist die Schauspielerin Katharina Straßer in die Wiener Theaterszene eingeschlagen. Ein Erfolg reiht sich an den anderen, von Schnitzlers "Liebelei" im Volkstheater bis zu "My Fair Lady" in der Volksoper.

Josef von Sternbergs Verfilmung des Heinrich-Mann-Romans „Professor Unrat“ unter dem Titel „Der blaue Engel“ begründete 1930 den Ruhm Marlene Dietrichs: Sie spielen die Dietrich-Rolle, die Nachtclubsängerin Lola, ab 17. September in der Josefstadt unter der Regie von Direktor Herbert Föttinger. Haben Sie keine Angst, an der Filmgöttin zu scheitern?

Ich versuche dieses Stück ganz auf meine Weise zu machen. Ich spiele nicht Marlene Dietrich. Natürlich verbindet jeder die Lieder mit ihr. Aber der Herbert Föttinger und wir kreieren etwas Neues – mit dem Originaltext und der Originalmusik von Friedrich Hollaender. Ich wäre sicher die Falsche für einen Marlene-Dietrich-Abend. Daskann ich einfach nicht.

Der Film ist zwar ein Klassiker, aber das dämonische Frauenbild wirkt heute altmodisch. Eine Frau würde doch nie sagen: „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, denn das ist meine Welt und sonst gar nichts.“ Lola stürzt den Professor Unrat ins Verderben. Er verliert seinen Job und sein Vermögen, die Heirat mit der Sängerin endet schließlich in einer Katastrophe.

Ich sehe das ganz anders. Diese Frau hat unglaubliche Sehnsüchte und Liebe ist halt die größte Sehnsucht. Sie will weg vom Etablissement „Der blaue Engel“. Sie verliebt sich wirklich in Professor Unrat, nicht nur er in sie. Er interessiert sie, weil er macht sie nicht an wie alle anderen, im Gegenteil. Er schaut immer weg. Ich kenne das von mir. Wenn mich jemand zurückweist, dann will ich es erst recht wissen.

Haben Sie so katastrophale Beziehungen erlebt wie die beiden in dem Stück?

Man hat halt oft eine Sehnsucht und kehrt mit gebrochenen Flügeln zurück, wie der Horváth so schön sagt. Allerdings: Wenn ich geliebt habe, ging es bis jetzt komfortabler zu Ende. Ich denke mir, wenn es sich nicht ausgeht, geht es sich nicht aus. Ich bin da viel realistischer und bodenständiger als die Lola. Die haut sich in alles hunderttausendprozentig rein, in den Beruf wie in die Liebe. Nachdem es nicht geklappt hat, ist sie kaputt. Sie trinkt ja auch, nimmt Pillen. Die müsste mal eine ordentliche Entziehung machen. Das ist wie bei Amy Winehouse: sautalentiert, erfolgreich und mit 25 total am Sand. Ich bin so traurig über ihren Werdegang. Ich hoffe, dass sie sich wieder erholt. Ich bin schon auch ein Extremmensch, aber nicht so leidenschaftlich. Nach der Probe geh ich nach Hause, leg mich auf die Couch, und freu mich, dass ich Feierabend habe. Ich kenne Kollegen, die fühlen sich elend, wenn sie zwei Monate nicht arbeiten – und wenn sie arbeiten, dann sitzen sie die ganze Nacht und denken nach und machen sich selbst fertig. Ich glaube nicht, dass mir so was passieren kann, dass ich den Alltag nicht mehr bewältige.

Haben Sie einen Partner?

Ja, den Schauspieler Till Firit, der am Volkstheater spielt. Wir haben uns bei Schnitzlers „Liebelei“ kennengelernt.

Welche Eigenschaften sind bei einem Mann das Wichtigste. Wählen Sie drei aus: reich, schön, lieb, tüchtig, kinderfreundlich, handwerklich geschickt, berühmt.

Kinderfreundlich, lieb und tüchtig.

Wo wollen Sie in 20 Jahren sein?

Mir ist es ganz wichtig, eine Familie zu haben. Das fände ich total schön. In 20 Jahren sind die Kinder dann vielleicht schon älter. Ich sehne mich nach dem normalen Leben. Ich hoffe aber auch, dass ich immer weiter spielen kann, dass ich bis dahin auch Filme drehe, herumreisen kann im Zuge der Dreharbeiten. Mal sehen, wie das mit den Kindern trotzdem geht. Ich stelle mir vor, dass ich das schaffen kann mit einem Aupair- oder Kindermädchen.

Ihre Eltern waren geschieden. Hatten Sie eine glückliche Kindheit?

Ja. Zwischen Salzburg und Innsbruck hat sich das abgespielt. Jedes dritte Wochenende hat mich der Papa von der Schule abgeholt. Meine Mutter ist Schauspielerin. Da war die Oma ganz wichtig. Sie ist jetzt 85 und darf mich nicht rauchen sehen. Sonst kriegt sie einen Herzinfarkt. Wir haben ein sehr intensives Verhältnis. Wenn die Mama gastiert hat und ich krank war, hat sich die Oma um mich gekümmert und mich sozusagen gesund gepflegt.

Für Schauspieler ist es sehr wichtig, attraktiv zu sein. Ist das nicht manchmal mühsam? Waren Sie schon als Kind an Ihrer äußeren Erscheinung interessiert?

Bis 15 habe ich ausgeschaut wie ein Bub. Ich trug neonfarbene Radlerhosen, lange T-Shirts, Sportschuhe, am besten von Nike oder Adidas. Ich war nie so eine Prinzessin mit einem Mascherl da und einem Kleiderl dort. Ich hab mit den Burschen gerauft und Räuber und Gendarm gespielt. Eine Tussi bin ich erst viel später geworden, so vor drei oder vier Jahren.

Sehen Sie sich wirklich als Tussi?

Na ja, nicht wirklich. Aber jetzt hab ich schon mal gern ein schönes Kleid an und Ohrringe und so. Ich habe erst spät entdeckt, dass ich ein Mädchen bin. Mit sechs hat mir der Papa die Ohrläppchen stechen lassen, weil immer alle gesagt haben: „Mei, so ein liaber Bua!“ Die Mama hat mir immer so Huterln gestrickt, die saßen am Hinterkopf. Ich hab ausgeschaut wie ein jüdischer Knabe, halt mit Jackerl, Hosen und Gummistiefeln.

Nimm dich in acht vor blonden Frauen, hat Marlene Dietrich gesungen. Ich dachte immer, Sie wären blond, aber ich sehe jetzt, Ihre Haare sind gefärbt. Fördert es die Karriere, blond zu sein?

Meine Naturfarbe ist aschblond. Die gefällt mir überhaupt nicht. Ich habe alle Farben schon durchgemacht. Als ich in die Schauspielschule am Konservatorium kam, war ich vorher dunkel mit rot. Dann ist das immer fuchsiger geworden, und alle haben gesagt, ich schau aus wie die Birgit Minichmayr. Da habe ich mir gedacht: Das kann es jetzt echt nicht sein.

Gibt es da Rivalitäten?

Gar nicht. Damals habe ich sie gar nicht gekannt. Mittlerweile kennen wir uns. Der Punkt ist, ich wollte nicht so ausschauen wie jemand anderer. Das Blonde war dann das Einzige, was ich längere Zeit ertragen habe. Rot, das ist so eine Farbe, wenn man in der Früh aufsteht und ungeschminkt ist, das schaut überhaupt nicht gut aus.

Sie wollen sich jetzt verändern, Film, sagten Sie. Am Volkstheater haben Sie begonnen, jetzt debütieren Sie an der Josefstadt. Kommt dann das Burgtheater? Es ist doch wichtig, in welcher Liga man spielt, oder?

Mein persönlicher Aufstieg ist, dass ich ab dem nächsten Jahr frei bin. Die Theatersachen checke ich mir selbst, aber ich habe auch eine Agentin, Frau Fuhrmann. Ich habe einen Film gemacht mit Josef Hader „Ein halbes Leben“ und sonst kleine Sachen gespielt, z.B. in „Falco“, nichts Aufregendes. Mein Fixpunkt im Fernsehen ist die ORF-Krimiserie „Schnell ermittelt“. Es gab zwar viele Angebote, aber dann konnte ich das nicht machen, weil ich probe und spiele, und dann heißt es gleich: Die hat eh nie Zeit. Darum habe ich beschlossen, nächstes Jahr ungebunden zu ein, damit ich herumfahren kann, z.B. nach Berlin zu Castings.

Sie müssen beim Film wieder ganz von vorn anfangen? Die Bekanntheit vom Theater nützt Ihnen dort nichts?

Ich verstehe das auch gar nicht. Film und Theater sind zwei völlig verschiedene Welten. Filmregisseure gehen nicht ins Theater. Ich höre dann auch oft von Filmleuten, ja das wäre jetzt was für die Kathi, aber sie ist zu rotzig, früher war sie ein liebes, schüchternes Mädchen. Das ärgert mich.

Die junge hübsche Blondine wird heiß geliebt, aber sie hat ein Ablaufdatum. Mit 40 ist es schwer als blonder Wildfang.

Eben. Ich möchte auf keinen Fall die süße Rotzgöre bleiben, sonst bin ich mit 30 arbeitslos. Ich habe mich nicht festgelegt auf wild, blond und jung. Ich muss nur dafür sorgen, dass ich eine Chance kriege. Beim Film wird so stark nach Typen besetzt. Die Leute haben so wenig Fantasie. Da denke ich mir: He, das gibt's doch nicht! Warum? Ich bin Schauspielerin! Ladet mich einmal zum Casting ein, dann werde ich zeigen, was ich alles kann.

Minichmayr, Mavie Hörbiger, Mirjam Weichselbraun, Sie sind alle ziemlich erfolgreich. Gibt es etwas Typisches, das Sie oder Ihre Generation verbindet?

Wir sind stark, wir schmeißen uns rein, wir lassen uns nicht entmutigen, wenn der Regisseur wie der Zahnarzt, der die Karies aufbohrt, immer den Finger auf die gleiche wunde Stelle legt. Das ist schon schlimm, wie man da gequält wird. Da muss man zäh sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2009)

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