Staatsschutzgesetz: Wie viel Spionage steckt im BVT neu?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Regierung stellte ihr Vorhaben dem Parlament vor. Kritiker aus Opposition und Zivilgesellschaft fürchten die Schaffung eines Spitzeldienstes. Zu Recht? Ein Faktencheck.

Wien. Zwei Jahre lang brüteten beamtete und politische Vertreter aus dem Sicherheitsapparat über einem 37 Seiten langen Dokument, das vom ersten Tag an für Aufregung sorgte. Am Dienstag wurde es im Innenausschuss des Parlaments diskutiert.

Das Polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG) soll strategische Positionierung, Tätigkeit und Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in einem zentralen Papier ordnen. Was das für den Bürger bedeutet, war für diesen bisher nur schwer zu erfahren. Befürworter und Kritiker bewerten die Folgen des Gesetzes nämlich fundamental anders. Regierung und Verfassungsschutz sagen, das zu beschließende Regelwerk mache Österreich sicherer. Opposition und zivile Interessenvertreter hingegen meinen: Sicher sei nur, dass der Souverän Freiheiten verliere. Versuch einer Annäherung an die Realität abseits von politischem Aktionismus.

1. Bekommt Österreich nun einen zivilen Inlandsgeheimdienst?

Zwar bezeichnen Politiker und Journalisten das BVT immer wieder als Geheim- oder Nachrichtendienst. Meistens geschieht das jedoch nur, um der eigenen Äußerung Bedeutung zu verleihen. Die Mitarbeiter des BVT haben Exekutivbefugnisse, arbeiten jedoch wie gewöhnliche Polizisten an der Aufklärung von Straftaten und betreiben keine konspirative Geheimdienstarbeit im Graubereich. Jedoch: Ein kleiner Teil der Arbeit umfasst Aufgaben mit nachrichtendienstlichem Charakter. Dabei geht es um die Früherkennung von Gefahren für den Staat, noch bevor eine Tat, etwa ein Anschlag, geplant oder durchgeführt wird. Dieses Element, die erweiterte Gefahrenerforschung, gibt es jetzt schon. Da in diesem Vorfeld bestehende Regeln kaum greifen (Strafprozessordnung, Sicherheitspolizeigesetz), wurde das Staatsschutzgesetz formuliert.

2. Erlaubt das geplante Gesetz die Massenüberwachung im Internet?

Nein. Auch wenn Gegner das häufig behaupten: Aus den vorliegenden Plänen ist das nicht ableitbar. Es ist anzunehmen, dass solche Äußerungen vor dem Hintergrund der Veröffentlichungen zur Tätigkeit der amerikanischen NSA entstanden. In Teilen der Öffentlichkeit kommt die Kritik gut an, sie stimmt nur nicht.

Richtig ist, dass das BVT eine Datenbank zur Speicherung und Nutzung von Ermittlungsergebnissen aus der erweiterten Gefahrenerforschung erhält. Künftig dürfen diese Informationen zwei, mit Sondererlaubnis sechs Jahre lang gespeichert werden. Bisher mussten sie nach wenigen Monaten in den Aktenvernichter.

3. Warum soll das BVT ohne richterliche Aufsicht observieren?

Oppositionsparteien und andere Interessenvertreter sind der Meinung, dass nur ein Richter Tätigkeiten im Rahmen der erweiterten Gefahrenerforschung überwachen soll. Regierung und Staatsschutz argumentieren, dass die Einsetzung eines Richters die erwünschte parlamentarische Nachkontrolle verunmöglichen würde. Daher bestand man bis zuletzt auf der Kontrolle durch ein Team von Rechtsschutzbeauftragten, die de facto genauso unabhängig sind wie Richter.

4. Werden Anwälte und Journalisten in Zukunft überwacht?

Nicht mehr als jetzt. Beide Berufe bringen es mit sich, dass man Kontakt zu Personen haben kann, die observiert werden. Ob die Observation von einem Richter (bei begangener oder geplanter Straftat) oder dem Rechtsschutzbeauftragten (bei erweiterter Gefahrenerforschung) genehmigt wurde, macht in der Praxis keinen Unterschied.

5. Wo könnte die Regierung ihren Kritikern noch entgegenkommen?

Der Katalog an Straftaten, für die eine erweiterte Gefahrenerforschung überhaupt infrage kommt, ist trotz einer vorgenommenen Einschränkung im Herbst noch immer recht groß. Es ist daher gut möglich, dass die Regierung die Liste noch einmal verkürzt, um bei der Abstimmung im Parlament auch die Zustimmung der Opposition zu bekommen. Allerdings können die Parlamentsklubs von SPÖ und ÖVP das Gesetz Ende Jänner auch allein beschließen. In Kraft treten soll es im Juli.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2016)

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