Sicher ist sicher: Sofort studieren

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das neue Uni-Gesetz mit der Orientierungsphase lässt Studierende das Schlimmste befürchten. Tatsächlich fehlt den meisten selbst die Orientierung. Was wirklich kommt – oder schon da ist – ist unbekannt.

Fabian, 18, wollte noch nicht studieren. Er genießt die eben bestandene Matura, hat sich für den Zivildienst ab 1. Dezember angemeldet, spekulierte noch mit einem dem angepeilten Studium vorgeschalteten Kolleg. Seit der vergangenen Woche ist alles anders: Inskribiert wird ab 1. Oktober, nach zwei Monaten Studium wird „daneben“ der Zivildienst geleistet. Oder „daneben“ das Studium.

„Sicher ist sicher“, sagt Fabian. Berichte über neue Eingangstests oder Orientierungssemester – so genau kennt er sich da nicht aus – hätten den Stimmungsumschwung bewirkt. „Es wird wahrscheinlich Prüfungen geben so wie in der Medizin“, sagt der angehende Architekturstudent. Da werde es schwieriger, in ein Studienfach hineinzukommen. In der Schule wurde er übrigens über die neue Situation nicht informiert. Oder über neue Hürden. Nicht eine Lehrkraft verlor ein Wort darüber.

Die neue Situation: Damit meint Fabian die Novelle zum Uni-Gesetz, in der es unter anderem den Paragrafen 66, „Studieneingangs- und Orientierungsphase“, gibt. Richtig ist, dass diese Novelle vor der Sommerpause im Parlament beschlossen werden soll und mit 1. Oktober dieses Jahres in Kraft treten wird. Allerdings: Gerade für den Paragrafen 66 gibt es eine Übergangsbestimmung: Die Eingangsphase soll bis spätestens 2011/12 kommen. In einigen Studienfächern gibt es bereits derartige Studienelemente. Aber dort, wo sie bis dato noch unbekannt (oder nicht erforderlich) sind, können sie auch nicht binnen zwei Monaten im Eiltempo erlassen werden. Denn sie müssen mit dem späteren Studienverlauf stimmig sein, in diesen hineinpassen – das ist gemäß den üblichen Uni-Usancen eine langwierige Prozedur.


Studentenfront gegen Hahn. Auf Studentenseite ist man misstrauisch. Man glaubt den Zusagen des Wissenschaftsministeriums, dass diese Eingangsphase den Studierenden nur nütze, dass sie keine Knock-out-Prüfung sei und keine sonderliche Erschwernis bringe, nicht. Wie groß die Verunsicherung ist, zeigen die Reaktionen der vergangenen Tage: Die Uni-Novelle würde bei der Studieneingangsphase „Tür und Tor für Missbrauch“ öffnen, lässt der amtierende ÖH-Vorsitzende, Samir Al-Mobayyed, dem Minister ausrichten.

Eine ungewöhnlich harsche Kritik, kommt sie doch aus den eigenen Reihen: Al-Mobayyed, der morgen, Montag, um seine Wiederwahl bangen muss, ist Funktionär der ÖVP-nahen AG. Durch kritische Distanz zum Ministerium ist er bisher nicht aufgefallen. Jetzt befürchtet Al-Mobayyed, dass es „angesichts der steigenden Studentenzahlen“ in der Eingangsphase zum „Aussieben und Rausprüfen“ komme.

Eine Angst, die auch die SPÖ-Studenten des VSStÖ teilen, und die am Freitag gegen die UG-Novelle auf die Straße gegangen sind: Mit einem Scherengitter sperrten sie gemeinsam mit anderen roten Jugendorganisationen den Seiteneingang des Wissenschaftsministeriums. Unter „dem Deckmantel der Eingangsphasen“ versuche Hahn, bereits in den ersten Semestern zu selektieren, so der Vorwurf. Knock-out-Prüfungen würden den Studierenden weitere Steine in den Weg legen.

Auch die grünen Studentenvertreter rufen zum Widerstand auf. Sie wollen am Montag gegen die Novelle demonstrieren. Allein: Die jeweiligen Mutterparteien lässt der Protest der ÖH-Fraktionen völlig ungerührt. Von den Wissenschaftssprechern will sich keiner der negativen Sicht auf die Orientierungsphase anschließen.


Knock-out offiziell verboten. Die Studieneingangsphase „dient der Orientierung über wesentliche Studieninhalte und nicht als quantitative Zugangsbeschränkung“, heißt es expressis verbis im § 66 der Gesetzesnovelle. Neu und gegenüber schon bestehenden Eingangsphasen verschärfend: Ein weiteres Studium ist erst nach dem positiven Erfolg bei allen Prüfungen erlaubt. Bisher konnte man bereits Lehrveranstaltungen des zweiten Studienabschnitts belegen, wenn etwa eine Prüfung der Eingangsphase negativ ausfiel und man ein oder zwei Semester bis zur Wiederholung warten musste. Allerdings: Nun sind mindestens drei Prüfungswiederholungen vorgeschrieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2009)

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