Wer gewinnt im Lunch-Roulette?

Pausenkultur. Arbeitsunterbrechungen sollen vor allem eines bringen: neue Energie. Dafür gibt es verschiedene Rezepte: vom Power-Nickerchen über Clubbing bis zur Essenslotterie.

Dass Partys – für Erwachsene – nicht immer erst abends beginnen müssen, hat sich herumgesprochen. Getanzt wird aber doch meist erst zu vorgerückter Stunde: beim After-Work-Clubbing eben. Anders hingegen in der Zentrale des Otto-Versands in Hamburg.

In der Mittagspause soll den 5000 Mitarbeitern am Standort die Möglichkeit geboten werden, aus dem Arbeitsalltag auszubrechen. Die Kantine wird regelmäßig zur Pausendisco. Das Programm bietet mindestens einmal pro Monat Livemusik, Comedy, Theater, Poetry Slam oder die Präsentation von Produktneuheiten. Das soll die Mitarbeiter inspirieren und ein Umfeld schaffen, in dem sie sich (in einem neuen Licht) kennenlernen können.

Das Vorbild dafür gaben die „Lunchbeats“, Discos zur Mittagszeit, und die „Pre-Work-Clubbings“, die das Partyvolk in aller Früh mobilisieren. Letztere sind vor wenigen Monaten auch in Wien angekommen. Erst am vergangenen Donnerstag wurde im Wiener Hotel Le Méridien von halb sieben bis halb zehn (tatsächlich) getanzt. Als Einstimmung auf das Büro danach gab es zu den Beats statt Alkohol Kaffee und Smoothies.

Alles, was Stress beseitigt

Aber nicht nur mit Partystimmung versuchen Unternehmen der Pause einen neuen Schwung zu geben. Während die einen zur Sport- oder Yogaeinheit einladen, gönnen andere ihren Mitarbeitern ein Nickerchen zwischendurch, das für Erholung sorgen und neue Energie liefern soll. Nicht nur in Japan, den USA und England – mittlerweile auch in Deutschland – sehen findige Anbieter darin ein Geschäftsmodell und bieten Schlafkojen an.

Wieder andere Unternehmen bieten zu Mittag Vorträge oder Weiterbildung an. Nicht ganz optimal, sagen dazu Arbeitspsychologen und Arbeitsmediziner. Die Pause sollte dazu genutzt werden, sich zu entspannen und Stress abzubauen. Im Zweifel empfiehlt sich also ein Spaziergang.

Gemeinsam isst sich besser

Natürlich aber ist die Mittagspause in erster Linie zum Mittagessen da. In der „Presse“ gründete sich schon vor Jahren der „Mittagsklub“, in dem Mitarbeiter der Web-Entwicklung füreinander kochten und gemeinsam aßen. In der Urversion waren das übrigens nur Männer. Gemeinsam gekocht wird mittlerweile in vielen Unternehmen. Neben den IT-Unternehmen waren es speziell die Kommunikationsagenturen, die die kommunikative und teambildende Wirkung der Tischgemeinschaft erkannten und forcierten.

Doch für das gemeinsame Essen muss nicht selbst gekocht werden. Die klassische Variante ist der gemeinsame Weg der Kollegen in die Kantine oder eines der umliegenden Restaurants. Unangenehm nur, wenn die Lieblingskollegen gerade nicht da sind oder man neu im Unternehmen ist – und daher noch allein isst.

Blind Date am Mittagstisch

In dieser Situation war auch David Thompson. Er wechselte im Pharmakonzern Boehringer Ingelheim im Jahr 2012 von der Forschungs- in die Social-Media-Abteilung und fand sich zunächst ohne Kollegen wieder, mit denen er essen gehen konnte. Also programmierte er kurzerhand das Lunch-Roulette. Es funktioniert als simple digitale Terminbörse: anmelden, Wunschdatum eintragen und schon würfelt die Software den Benutzer zufällig für das Mittagsdate mit einem anderen Teilnehmer zusammen.

„Lunch-Roulette“, sagte Thompson der „Harvard Business Review“, sei dazu da, neue Leute kennenzulernen, sie mit Bereichen der eigenen Firma vertraut zu machen und so vielleicht neue Ideen hervorzubringen. Nach nur sieben Wochen hatten mehr als 350 Mitarbeiter am Lunch-Roulette teilgenommen – darunter auch der Geschäftsführer der US-Niederlassung, Paul Fonteyne.
Das System funktioniert.

Und trotzdem sollte eines klar sein: Den eigenen Mitarbeitern eine Tischgemeinschaft nahezulegen oder gar zu verordnen, ist problematisch. Wahlfreiheit sollte – zumindest in den Pausen – das oberste Gebot sein. Das Mittagessen als Teambuilding-Maßnahme zu instrumentalisieren, erst recht.

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