Klimawandel: "Es wird kein Wasser für alle geben"

Wer am Markt bestehen muss, kann nicht konservativ sein, sagt Michael Silacci, Geschäftsführer der Opus One Winery.
Wer am Markt bestehen muss, kann nicht konservativ sein, sagt Michael Silacci, Geschäftsführer der Opus One Winery.(c) Michaela Bruckberger
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Der Klimawandel macht alles chaotischer, sagt Michael Silacci, Winemaker im kalifornischen Kultweingut Opus One. Er kämpft gegen Dürre und Wassermangel. Wächst in Kalifornien nichts mehr, würde er auch in Österreich neu starten.

Die Presse: Kalifornien leidet seit Jahren unter extremer Dürre. Im Vorjahr wurde zeitweise sogar das Duschen limitiert. Was bedeutet das für Ihre Weinproduktion dort?

Michael Silacci: Im Napa Valley, wo wir unseren Wein erzeugen, sorgt der Napa River noch für ausreichend Feuchtigkeit. Wir haben heiße Tage und kalte Nächte – für den Wein ist das ideal. Aber Kalifornien war immer ein Land der Extreme. In den politischen Ansichten genauso wie im Wetter. Dürre und Flut wechseln sich seit Jahrzehnten ab. Diesen Zyklus gibt es schon sehr lange. Und Mutter Natur konnte immer schon grausam sein. Etwa 1989, als es lange gar keinen Regen gab. Erst, als wir zu ernten beginnen wollten, kam das Wasser vom Himmel, und alles drohte zu verfaulen. Aber der Klimawandel macht alles noch chaotischer.

 

Ist Fäulnis also das Problem im Weinbau, das der Klimawandel am stärksten verschärft?

Nein. Im Napa Valley beginnen auch die Nächte und Tage wärmer zu werden. Wenn es untertags heißer wird, entziehen die Blätter den Trauben Wasser, und diese drohen zu verdorren. So geht oft ein Fünftel der Ernte verloren. Auch die extremen Wetterphänomene werden schwieriger vorherzusagen. Früher gab es Hitzewellen etwa nur zwischen Mitte Juni und Anfang Juli. Heute wissen wir nicht mehr, wann sie kommen. 2001 erlebten wir erstmals eine Hitzewelle im September, kurz bevor die Trauben reif sind. Das ist ein echtes Problem für die Weinproduktion.

 

Lange Zeit galt das kalifornische Klima als ideal für die Weinproduktion. Ist das bald vorbei?

Wir wissen es nicht. Entscheidend ist aber, wie wir mit der Veränderung des Klimas umgehen. Wir bewässern etwa nur noch nachts, damit nichts verdunstet. Wir gießen unsere Pflanzen auch nicht mehr jede Woche, sondern nur noch unregelmäßig und so wenig wie möglich. So müssen die Pflanzen ihre Wurzeln tiefer in die Erde graben, und sie werden trainiert, auch Hitzephasen besser zu überstehen. Das hilft doppelt: Die Weinstöcke werden robuster, und wir reduzieren den Wasserverbrauch radikal.

 

Wassermangel herrscht in Ihren Weingärten aber nicht?

Noch nicht. Aber von unseren fünf Brunnen wird einer langsam trocken. Wir müssen also drastisch Wasser einsparen. Jedes Weinblatt verbraucht Wasser, um sich selbst zu kühlen. Wir wissen, dass wir 14 bis 16 Blätter für zwei Reben brauchen. Also schneiden wir alle anderen weg. Und wir suchen auch wilden Wein in trockenen Gegenden, um daraus resistentere Sorten zu züchten.

 

Im Sommer gibt es in Kalifornien traditionell die Debatte, wem das Wasser zusteht – den Bauern oder den Bürgern? Bisher ist die Landwirtschaft als Sieger ausgestiegen. Zu Recht?

Mittlerweile haben auch viele Bauern kein Wasser mehr. Wirklich gefährlich finde ich den klassischen Budgeteffekt, der bei uns sichtbar wird. Verwendet ein Bauer nicht das gesamte Wasser, das ihm zugeteilt wurde, droht er im nächsten Jahr weniger zu bekommen. Also ist er verleitet, Wasser zu verschwenden. Das können wir uns nicht mehr leisten. Irgendwann wird es kein Wasser für alle mehr geben. Und darauf müssen wir uns heute vorbereiten. Auch wenn in vielen Ländern die Wirtschaft auf der Landwirtschaft basiert, müssen sich die Landwirte darauf einstellen, damit jeder – Bauer und Bürger – noch etwas bekommt. Wenn auch nicht alles, was er will.

 

Landwirte leiden – zumindest in Österreich – unter dem Ruf, Änderungen mitunter etwas skeptisch zu begegnen.

Es gibt auch in Kalifornien in einigen Bereichen Widerstand gegen notwendige Veränderungen. Das ist Teil der konservativen Natur eines Landwirten. Letztlich bleibt die Ökonomie das stärkste Argument. Selbst wenn Wasser billig ist, kostet es immer noch viel, wenn man zu viel davon verwendet.

 

Sind Winzer auch konservativ?

Die Frage ist hier nicht, welche Frucht ich anbaue, sondern mit welchem Ziel ich das tue. Wer nach hoher Qualität strebt und am Markt bestehen muss, kann nicht wirklich konservativ sein, sondern muss bereit sein, dafür auch Risiko zu nehmen. Wer Massenware erzeugt, sträubt sich tendenziell gegen zu viel Neuerungen und Regulierungen. Wenn ich eine Million Flaschen verkaufen wollte, ginge ich auch kein Risiko für die Qualität ein, weil ich die Menge sichern müsste.

Wissenschaftler schätzen, dass der Klimawandel die Weinproduktion in Kalifornien bis 2050 um 70 Prozent reduzieren wird. Glauben Sie daran?

Wir sehen, dass es Erderwärmung gibt. Modelle, die uns vorrechnen, was in 30 Jahren ist, sind wichtig, um zu wissen was passieren kann. Ob es wirklich so kommt, weiß niemand. Schon die Wetterprognose für den morgigen Tag stimmt so oft nicht. Wir arbeiten daher mit drei Wetterdiensten parallel. Einer der drei liegt immer richtig, leider nicht immer derselbe.

 

Laut dieser Studie werden viele Top-Weinregionen in Italien, Frankreich und den USA verloren gehen. Profitieren würden stattdessen Tansania, Zentralasien, Großbritannien. Wo werden 2050 wirklich erstklassige Weine produziert werden?

Wir sehen schon heute, dass große Champagnerhäuser großflächig Ackerland in Großbritannien aufkaufen. Aber die großen Weine von heute lassen sich nicht verpflanzen, weil der Ort für den Charakter des Wein entscheidend ist. Er verändert die Struktur, den Geschmack, wie wir den Wein im Mund fühlen. Wenn Opus One etwa nicht mehr im Napa Valley erzeugt werden könnte und wir woanders hingehen müssten, wäre es ein anderer Wein.

 

Wohin würden Sie gehen? In Österreich soll sich die Ackerfläche für den Weinanbau durch den Klimawandel vervierfachen.

Sollte das wirklich passieren, wohin würde ich gehen? Ich mag Österreich. Der Wein hier ist wunderbar. Viele glauben, der Grüne Veltliner ist ein eher simpler Wein, aber einige sind wirklich gut, und der Riesling ist fantastisch. Ich denke zwar nicht, dass ich dann noch Wein machen werde. Aber wer weiß, wie schnell sich Dinge ändern.

ZUR PERSON

Michael Silacci ist seit 2001 Winemaker des berühmten Weinguts Opus One in Kalifornien. Die Idee, einen „Bordeaux aus Kalifornien“ zu schaffen, entstand 1970, als sich Robert Mondavi und Baron Philippe de Rothschild auf Hawaii trafen. 1984 präsentierten die beiden erstmals die Jahrgänge 1979 und 1980. Der Mythos Opus One war geboren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)


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