Riskantes Da Capo für IWF-Chefin Lagarde

Alle wollen Lagarde. Aber ob der IWF-Chefin eine zweite Amtszeit gegönnt ist, entscheiden Richter.
Alle wollen Lagarde. Aber ob der IWF-Chefin eine zweite Amtszeit gegönnt ist, entscheiden Richter.(c) APA/AFP/FABRICE COFFRINI (FABRICE COFFRINI)
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Christine Lagarde tritt wieder an, alle streuen Rosen. Aber was, wenn sie verurteilt wird? Paris hat einen raffinierten Plan B.

Wien. So viel Lob ist Christine Lagarde „fast schon peinlich“. Auf dem Weltwirtschaftsforum im verschneiten Davos hat die Chefin des Internationalen Währungsfonds ihre Kandidatur für eine zweite Amtszeit verkündet. Davor hatten die meist männlichen Mächtigen dieser Welt ihr den Weg geebnet, auf den sie danach noch Rosen streuten. Die Chancen stehen also gut, dass die so elegante wie resolute Französin die Geschicke der Weltwirtschaft ab Juli weitere fünf Jahre mitbestimmen wird. Noch gibt es keinen Herausforderer, und neben dem Westen unterstützen auch China und Südkorea ihre Kandidatur. Das Rennen könnte gelaufen sein, ehe es begonnen hat. Wenn „Madame Makellos“ nicht doch einen kleinen Makel hätte: Ihr droht eine Verurteilung vor einem französischen Gericht. Der Auslöser liegt lange zurück: Anfang der 1990er-Jahre brauchte Bernard Tapie dringend Geld. Deshalb beauftragte der Marseiller Unternehmer den Crédit Lyonnais, damals noch in staatlicher Hand, mit dem Verkauf seiner Adidas-Aktien. Die Bank erzielte nur einen niedrigen Preis, kaufte die Anteile hinterrücks selbst und stieß sie später zum doppelten Wert wieder ab. Tapie, selbst ein gerissener Geschäftsmann, fühlte sich betrogen und ging vor Gericht – ausnahmsweise auf Seite der Anklage. Der Streit zog sich ewig hin.

2007 lenkte Lagarde als Finanz- und Wirtschaftsministerin das Dossier in ungewohnte Bahnen. Vermutlich auf Druck des damaligen Präsidenten Sarkozy, einem Freund Tapies, zog sie den Fall von der Justiz ab und ließ ihn außergerichtlich schlichten – gegen die Empfehlung der Experten im Ministerium und ohne, wie üblich, den Staatsrat zu befragen. So kam Tapie zu einer stattlich-staatlichen Entschädigung von 258 Mio. Euro. Im Mai 2011 witterte ein hoher Staatsanwalt dahinter Amtsmissbrauch und Veruntreuung von Steuergeldern. Zwei Monate später bestieg Lagarde, schon damals riskant, den IWF-Thron. Ein gutes Timing, denn schon im August starteten Ermittlungen. Es folgten Verhöre, Hausdurchsuchungen und schließlich ein formelles Verfahren.

Den Antrag, es einzustellen, schmetterte das Gericht vor wenigen Wochen ab. Tapie musste mittlerweile alles zurückzahlen. Nun meldet das investigative Wochenblatt „Le Canard enchaîné“, im Élysée rechne man mit einer Verurteilung Lagardes.

Dunkle Flecken bei drei Direktoren

Doch der Plan B stehe bereits: Tidjane Thiam, Chef bei der Schweizer Großbank Crédit Suisse, soll als Ersatzkandidat einspringen. Zwei Fliegen auf einen Schlag: Als Doppelstaatsbürger der Elfenbeinküste und Frankreichs könnte der Afrikaner den Schwellenländern die lang geforderte stärkere Stimme verleihen, ohne den Franzosen das Zepter aus der Hand zu nehmen (ein ungeschriebenes Gesetz will, dass den IWF immer ein Europäer und meist ein Franzose führt – dafür „gehört“ den Amerikanern die Weltbank).

Sollte Lagarde verurteilt werden, müsste sie nicht nur ihren Posten räumen. Der IWF hätte auch ein ziemliches Imageproblem: Es wäre schon das dritte Mal, dass der oberste Direktor in Schimpf und Schande endet. Dominique Strauss-Kahn stolperte über eine Sexaffäre. Rodrigo Rato, von 2004 bis 2007 an der Spitze des Fonds, ist heute in seiner spanischen Heimat ein Buhmann und sitzt in Untersuchungshaft – als Bankvorstand versorgte er sich und seine Führungskollegen mit „schwarzen Kreditkarten“.

Die Lobeshymnen auf Lagarde erschallen aber nicht ohne Grund. Schon als Leiterin von Baker & McKenzie, einer der größten Anwaltskanzleien, gewann die Juristin den Ruf einer exzellenten Verhandlerin. Im Rahmen der französischen G20-Präsidentschaft überredete sie Berlin zum Euro-Rettungsschirm. Ordnungspolitisch geriet Lagarde öfters aufs Glatteis – etwa als sie von den Deutschen forderte, die Exportstärke ihrer Wirtschaft einzudämmen. Doch bei der Reform des IWF gelang es der Normannin geschickt, die Interessen der mächtigen Amerikaner und der mehr Macht fordernden Schwellenländer auszugleichen. In der Form freundlich, in der Sache hart erlebten sie auch die Griechen. Nicht zuletzt hat Lagarde mit Charme und edlem Schmuck auch ein wenig Farbe in den grauen Ökonomenalltag der Krisenfeuerwehr in Washington gebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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