Igls: Durch das Eis mit 100 km/h

Themenbild aus Igls
Themenbild aus IglsReuters
  • Drucken

Wie eine Fahrt in der Achterbahn, aber auf die olympische Art: von großen Sprüchen, Übermut, weichen Knien, einer rasanten Fahrt und dem Adrenalinkick. Eine Bobfahrt im Eiskanal von Igls.

Am Vortag sind der Mut und die Sprüche noch groß. Damenstart? Was soll ein Damenstart sein, der langsamere? Warum müssen wir den nehmen? Beim abendlichen Aufstieg im Flutlicht entlang des Eiskanals in Igls – im Schneetreiben, eingebettet in den verschneiten Wald, schaut der Kanal so beschaulich aus –, da wächst der Mut.

Reinhard Poller, der Generalsekretär des Österreichischen Rodelverbands, lächelt beim Hinaufgehen mild, er kennt diese großen Sprüche. Auch die Kritik an der Namensgebung hat er schon einmal gehört. Warum also heißt der langsamere Damenstart? Ausgerechnet! Denn nicht nur in dieser Gruppe seien es die Frauen, die vor dem Bobfahren am größten reden, wie Poller sagt. Und denen er dann erklären muss, dass es international eben immer so sei, dass der untere Start, von dem es langsamer durch die Eiskanäle geht, nach den Damen heiße. Warum? Da spricht er von Körperbau, Muskulatur, Fliehkräften.

Aha. Ganz einsehen will das in dieser Runde noch immer niemand. Gut eine Minute lang in einem Bob zu sitzen, warum genau sollen Frauen das nur langsamer können? Aber Regeln sind Regeln. In Igls besagen sie unter anderem, dass die Gästebobs vom unteren Start in der fünften Kurve der alten Kunsteisbahn, die für die Winterspiele 1976 gebaut worden ist, losfahren. In diesen Gästebobs kann sich jeder, der älter als zwölf Jahre, größer als 130 Zentimeter, halbwegs fit und ein bisschen wagemutig ist, den Eiskanal hinunterstürzen: Er ist 800 Meter lang, hat 100 Meter Höhenunterschied, und man erreicht eine Geschwindigkeit von rund 100 Stundenkilometer – für den Anfang reicht das meistens ohnehin.

Das Tempo nimmt den Übermut

Besonders Tollkühne können auch eine Fahrt im olympischen Viererbob buchen – dann geht es vom oberen Start durch 14 Kurven auf 1270 Metern (Details siehe Info-Box unten). Alternativ könnte man sich auch als Gast mit dem Kopf voran auf dem Skeleton-Bob oder im (aus Stefan Raabs Sendung bekannten) Wok durch den Kanal hinunterstürzen. Auf Skiern oder Plastiksackerln, wie das die Profi-Bobfahrer auch schon ausprobiert haben – das ist für Gäste aber dann nichts.

Am nächsten Tag, kurz vor dem Start der Fahrt, reicht dann der Damenstart im Bob aber ohnehin völlig. Die Debatten über den schnelleren Startpunkt sind vorbei, und das, so sagt Reinhard Poller, sei meistens so. Dass die großen Sprüche kleiner werden, je näher man zum Starthäuschen kommt. Tatsächlich vergeht der Mut fast ein wenig, wenn man den Profis zuschaut, die während des Aufstiegs blitzschnell, in den Kurven hoch in den meterhohen Banden, vorbeipfeifen. Der eine oder andere wird während des Wartens dann ganz still. Ein bisschen fühlt man sich an „Cool Runnings“ erinnert, den 1990er-Jahre-Film, bei dem völlig ahnungslose Jamaikaner Bobfahren wollen. Dass an diesem Vormittag in Igls unter anderem ein Team aus Brasilien trainiert, tut sein Übriges dazu.

Vom Kreisel ins Labyrinth

Zeit für große Zweifel bleibt aber keine. Helm auf, einsteigen, eng aneinander auf die Bank setzen, anschnallen, der Profi-Pilot steigt ein, ein Gruppen-Selfie noch, schon schieben die Anschieber, und als es den Starthügel hinuntergeht, hebt es einem dann kurz den Magen aus. Damit ist das Schlimmste aber schon vorbei. Durch den lang gezogenen Kreisel – jetzt spürt man im Nacken und in den Beinen die 2G, die da angeblich wirken, deshalb braucht man für das Bobfahren doch einige Kraft – schießt man weiter die Bahn hinunter.

Das Adrenalin rauscht, der Pilot am vordersten Sitz, er ist Tausende Male die Bahn hinuntergerast, lenkt ungerührt in die richtige Spur. Sie geht hoch in die Kurve, weiter ins sogenannte Labyrinth, links, rechts an die Banden, schon ist der Auslauf in Sicht, der Bob wird langsamer, dass man zum Abbremsen einen Hang hinaufgeschossen ist, bemerkt man gar nicht. Aussteigen mit leicht weichen Knien. „Geil. Das war jetzt so richtig geil“, sagt dann sogar einer, der zuvor mit weißem Gesicht eingestiegen ist. Poller lässt die Zeit ausdrucken, knapp eine Minute, knapp über 100 km/h. Geht's beim nächsten Mal schon schneller? Dann aber wirklich vom Herrenstart!

Gästebob

Selbst fahren ist im Eiskanal von Igls zwar nicht möglich, eine Fahrt im Gästebob mit einem Piloten und bis zu fünf Gästen kostet 30 Euro pro Person. Die Fahrt im original olympischen Rennbob mit einem Piloten, einem Bremser und zwei Gästen kostet 95 Euro pro Person. Info: olympiaworld.at, ✆ +43/512/338 382 22, bobfahrt@olympiaworld.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ehrenamtliche Eisenbahnfreunde wie Reinhard Popp (li.) und Albert Malli erhalten den Betrieb der historischen Höllentalbahn als Museumsbahn am Leben.
Österreich

Auf schmalen Spuren durch das Höllental

Seit 40 Jahren sorgen Eisenbahnliebhaber dafür, dass die historische Höllentalbahn nach wie vor in Betrieb ist. Sonn- und feiertags kann man sich auf eine nostalgische Zugfahrt begeben, die nicht nur Zug-Auskennern Spaß macht.
Einer der Waggons, mit denen B&B Bluetrain etwa nach Gmunden oder nach Venedig fährt.
Österreich

Waggons aus aller Herren Länder

Das private Zugunternehmen B&B Bluetrain bietet Erlebnisfahrten an – im Luxuswaggon.
Auf Granitfelsen wurde die Burg Rappottenstein im Waldviertel einst erbaut – und später erweitert.
Österreich

Die Burg, in der nur die Stunden zählen

Mächtig thront die Burg Rappottenstein auf einem Felsen im Waldviertel. Die Tour durch die historisch gewachsene Festungsanlage führt nicht nur durch mehrere Bauepochen – sondern auch ins Verlies.
Blick vom Ufer des Ottensteiner Stausees auf die Ruine Lichtenfels.
Österreich

Im Tretboot oder Kanu über den Stausee

Malerisch, verwunschen – und ein Ziel für Wassersportler: der Stausee Ottenstein im Waldviertel.
Im ehemaligen Stadtgefängnis Tulln befindet sich seit 1990 – dem 100. Geburtstags des Malers – das Egon-Schiele- Museum.
Österreich

Auf den Spuren des jungen Egon Schiele

Wer Tulln besucht, kommt am berühmtesten Sohn der Stadt nicht vorbei: Das Schiele-Museum zeigt aktuell Natur- und Stadtlandschaften des Künstlers. Auf dem Bahnhof Tulln kann man die Wohnung seiner Kindheit besichtigen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.