Oper: Nobel geht die Welt zugrunde – und mit famosem Orchester

Kein netter Halbbruder: Eric Halfvarson als Hagen mit Regine Hangler als Gutrune.
Kein netter Halbbruder: Eric Halfvarson als Hagen mit Regine Hangler als Gutrune.(c) Staatsoper/Michael Pöhn
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Adam Fischer zelebriert die „Götterdämmerung“ als edles Finale für den „Ring des Nibelungen“, das allerdings ohne sängerische Glanzleistungen auskommen muss. Eric Halfvarson ist als Hagen sehr präsent und passend finster, Regine Hangler als Gutrune eine Lichtgestalt.

„Wandel und Wechsel liebt, wer lebt“, belehrt der junge Wotan im „Rheingold“ seine darob gar nicht erfreute Frau, Fricka: Mit ihr behaglich am eigenen Herd zu hocken ist diesem Machtpolitiker nicht genug. Dass es folgerichtig einmal eine Welt ohne ihn geben würde, dämmert ihm da noch nicht. In der „Götterdämmerung“ erzählt Waltraute – nun erstmals Anna Larsson und nicht ganz mit der wünschenswerten Prägnanz und Eindringlichkeit –, dass der alte Wotan in Walhall nur noch auf das Ende warte. In seiner „Ring“-Inszenierung gönnt Sven-Eric Bechtolf dem Gott im Ausgedinge freilich noch einen letzten Auftritt: Im Untergang zwischen Feuer und Wasser, den Lichteffekte und Filmprojektionen suggerieren, taucht Wotan, die Hälften seines von Siegfried zerschlagenen Speeres in Händen, noch einmal auf.

Wandel und Wechsel lieben auch die meisten Opernfreunde – zumindest dann, wenn die Besetzungsalternativen nicht klar zum Schlechteren führen. Davon kann bei Adam Fischer keine Rede sein: Der bereits 14. kompletten „Ring“-Aufführung in Bechtolfs 2009 fertiggestellter Deutung hat der ungarische Dirigent seinen klaren Stempel aufgedrückt. Hitziges Drängen verschmäht er, wohl auch, um ungeschlachte Ausbrüche zu vermeiden, mit denen die Sänger über Gebühr in Bedrängnis geraten würden. Stattdessen weiß er das hoch konzentrierte, bis auf vernachlässigbare Kleinigkeiten famos spielende Staatsopernorchester zu blühenden Klängen zu animieren, die Steigerungen auch der packenden Mannenchöre mit Bedacht aufzubauen und die Opulenz fein zu schattieren. Vom butterweich zarten Bassklarinettensolo, das die Basis für Hagens Tag bietet, bis zu den scharfkantigen Schlägen des Trauermarsches und den rund strömenden Des-Dur-Klängen des visionären Schlusses ist da auch in der „Götterdämmerung“ durchwegs ein Feiertag im Staatsopernrepertoire zu verzeichnen.

Auf der Bühne kann mit einer so differenzierten Lesart genau genommen niemand mithalten. Auch Linda Watson als Brünnhilde nicht, der freilich nach großer Steigerung hin zum erfolgreichen Erlösungsopfer die Publikumsherzen dankbar zufliegen. Dass es ihr im Vorspiel an triumphalem Höhenstrahl mangelt, stört weniger als der durchwegs nicht sonderlich plastische Vortrag und die eher ökonomische Darstellung. Sie punktet dafür in der sicheren Gesamtwirkung – und passt damit gut zu Christian Franz. Er mag sich als stämmiger Siegfried bisweilen ins Sprechen, Rufen und Stemmen retten, trifft jedoch auch überraschende Ausdrucksnuancen, etwa das verwunderte Erschrecken über seine eigenen Worte, wenn der Trank die fatale Erinnerung zurückkehren lässt.

Alberich kommt wie ein Migräneanfall

Eric Halfvarson ist immer noch ein Hagen von großer physischer Präsenz, dominiert die Szenerie mit passend finsterem Gebrüll, expressionistischen Gesten und subtilen Manipulationen: ein Schwarzalbe, dessen Vater, Alberich (der prägnant deklamierende Jochen Schmeckenbecher), wie eine nächtliche Migräneattacke über ihn kommt. Neben dem bewährten Boaz Daniel als schwächlichem Gunter gab Regine Hangler erstmals die missbrauchte Gutrune mit kindlich hellem Sopran: eine Lichtgestalt im guten Ensemble.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)

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