Oslo will Hunderte Flüchtlinge nach Russland ausweisen, auch wenn Moskau sie in gefährliche Länder zurückschickt.
Oslo. Die norwegische Regierung will die Zahl der Asylwerber drastisch senken. Um das zu erreichen, hat sie die Abschiebung von Hunderten Zuwanderern nach Russland beschlossen. Wie Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien kritisieren, wird dabei nicht auf Gefahren für die betroffenen Personen Rücksicht genommen. Aktuell warten laut dem britischen „Guardian“ rund 80 Flüchtlinge auf ihre Abschiebung. Die meisten von ihnen kämen aus Syrien und Afghanistan.
Im vergangenen Jahr haben rund 31.000 Personen in Norwegen um Asyl angesucht. 18.431 wurden als Schutzbedürftige anerkannt. Viele von ihnen kamen über die Grenze aus Russland. Die starke Zuwanderung und die Änderung der Asylpolitik durch das Nachbarland Schweden hat die rechtskonservative Regierung, die sich im Wahlkampf gegen einen weiteren Zuzug ausgesprochen hatte, in den eigenen Reihen unter Zugzwang gesetzt.
Laut Migrationsministerin Sylvi Listhaug betrachte die norwegische Regierung Russland als sicheres Land, in das Flüchtlinge zurückgeschickt werden könnten. Doch Moskau schickt diese Personen konsequent in ihre Heimatländer zurück. Wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in mehreren Fällen aufgezeigt hat, wurden auch Personen nach Syrien abgeschoben.
Mittlerweile haben einige der Asylwerber in norwegischen Kirchen Aufnahme gefunden. Sie sind aus den staatlichen Einrichtungen ausgezogen, da sie dort mit der sofortigen Abschiebung rechnen mussten. Private Initiativen und Priester kämpfen nun für ihren Verbleib. Für Diskussionen hat zuletzt die geplante Abschiebung eines jemenitischen Asylwerbers gesorgt. Obwohl Norwegen aus Sicherheitsgründen selbst keine Asylwerber in den Jemen zurückschickt, sollte er nach Russland gebracht werden, wo ihn genau dieses Schicksal erwartet.
Um sich solche Debatten zu ersparen, versucht die Regierung die private Hilfe für Flüchtlinge einzuschränken. Zwei Norweger, die einen Asylwerber mit ihrem Auto in eine Kirche bringen wollten, wurden laut der norwegischen Presseagentur NTB von der Polizei festgenommen. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)