Deutschland: Wer Merkel stürzen kann

Ein Putsch gilt als unwahrscheinlich, aber die CDU-interne Kritik an Angela Merkel nimmt zu.
Ein Putsch gilt als unwahrscheinlich, aber die CDU-interne Kritik an Angela Merkel nimmt zu.(c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE)
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Die CDU windet sich zwischen Kritik an der und Unterstützung für die Kanzlerin. Noch scheint ein Putsch in weiter Ferne, doch die spitzen Zurufe an Merkel schwellen an.

Berlin. Wie sicher sitzt Angela Merkel noch im Kanzleramt und an der Spitze der CDU? Der Gegenwind ist in den vergangenen Tagen und Wochen jedenfalls stärker geworden, nicht nur aus der Schwesterpartei, der bayerischen CSU, sondern auch aus den eigenen Reihen. Wobei allerdings noch niemand wagt, Merkel direkt anzugreifen. Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin wird inhaltlich verpackt – und gern auch noch implizit mit dem Hinweis versehen, dass es sich nicht um Kritik an ihr selbst handle. Und doch ist Merkel nicht sakrosankt – und zumindest auf der Ebene der Spekulation sind schon Wörter wie „Sturz“ oder „potenzielle Nachfolger“ zu hören und zu lesen.

In der Partei selbst weist man solche Spekulationen zurück. „Ich muss immer lachen, wenn ich von Rebell oder Putsch lese“, sagt Bundestagsabgeordneter Wolfgang Bosbach bei einem Termin mit Vertretern der Auslandspresse. Ja, inhaltlich sei er einer der heftigsten Kritiker von Angela Merkels Flüchtlingspolitik, er habe auch als einer von 44 Abgeordneten der Fraktion einen Brandbrief an die Kanzlerin unterschrieben. Doch gehe es ausschließlich um eine persönliche Überzeugung, dass sich etwas ändern müsse. Nicht darum, die Kanzlerin zu stürzen. Denn sie, sagt Bosbach, „genießt von Ortsverband zu Ortsverband großen Respekt“. Und auch er selbst sei hin- und hergerissen zwischen der Sympathie für die Kanzlerin und dem Zweifel, ob Europa eine Lösung für die Flüchtlingskrise schaffen könne. Ja, es gebe innerhalb der Partei leidenschaftliche Diskussionen. Aber keine über die Kanzlerin selbst: „Die CDU neigt nicht zu Revolution und Rebellion.“

„Plan A2“ gegen die Kanzlerin

Klar ist aber, dass Merkels Partei nicht nur inhaltliche Sorgen treiben, sondern auch die kommenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt am 13. März. Laut Umfragen gewinnt vor allem die AfD dazu, während der CDU – auch wegen der Flüchtlingspolitik – Verluste drohen. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Vorstoß von CDU-Vizechefin Julia Klöckner zu verstehen, die in Rheinland-Pfalz als Spitzenkandidatin antritt. Sie schlug am Wochenende tagesaktuelle Flüchtlingskontingente und Grenzzentren vor, von denen aus Flüchtlinge weiterverteilt oder zurückgewiesen werden sollen.

Um Merkel nicht zu düpieren, nannte sie es Plan A2 – denn „Plan B heißt ja, dass Plan A gescheitert wäre. Das ist nicht der Fall.“ Er sei nicht Ersatz, sondern Ergänzung. Und, so Klöckner, sie unterstütze die Politik der Kanzlerin ausdrücklich. Die 42-Jährige wird, wenn es um die Nachfolge von Merkel geht, immer wieder ins Spiel gebracht. Allerdings hat sie sich bis zu ihrem Plan A2 stets loyal gegenüber der Kanzlerin gezeigt – zuletzt auch mit einer Attacke gegen parteiinterne Kritiker – die nämlich „einfach mal die Klappe halten“ sollten.

Eine eher undurchschaubare Rolle spielt Finanzminister Wolfgang Schäuble. Auf der einen Seite stellt er sich in Interviews hinter den Kurs der Kanzlerin. Auf der anderen Seite kommen versteckte Fouls. Wenn er etwa von der Flüchtlingskrise als Lawine spricht, die eine ungeschickte Skifahrerin ausgelöst hat. Oder mit der – schnell wieder eingemotteten – Forderung, die entstehenden Kosten mit einer Sonderabgabe auf Benzin zu finanzieren. Ihm wird nachgesagt, dass er selbst Ambitionen auf den Kanzlersessel hätte. Aber auch, dass er einen offenen Putsch nicht wagen würde – vermutlich würde ein solcher zurzeit auch gar nicht durchgehen.

Mitentscheidend für die Zukunft Merkels wird wohl auch das Ergebnis bei den Landtagswahlen im März sein. Sollte das Ergebnis für die CDU katastrophal sein, könnte die Stimmung in der Partei kippen – und auch offen ihre Ablösung verlangt werden. Noch hätte sie aber die Möglichkeit, das Ruder kurz vor der Wahl herumzureißen. Wenn sie nämlich Mitte Februar eine Zwischenbilanz der Flüchtlingspolitik ziehen will. Allein, ihr parteiinterner Kritiker Bosbach glaubt nicht an einen Kurswechsel: „Ich glaube, dass sie die Stimmung an der Basis und in den Kommunen sehr gut kennt. Aber sie ist, wie wir sagen würden, Überzeugungstäterin.“

ZUR PERSON

Wolfgang Bosbach (*1952) ist einer der bekanntesten parteiinternen Kritiker der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel. Der CDU-Abgeordnete ist auch einer der 44 Unterzeichner eines Briefes an Merkel, in dem eine Umkehr gefordert wird. [ Imago ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)

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