Erwin Pröll lässt aus der Ferne grüßen

Die Karten im rechten und linken Lager werden neu gemischt. Der Ausgang ist ungewiss. Sicher ist: Es wird weiter ein „Konservativer“ in der Hofburg sitzen.

Da hat es die FPÖ also tatsächlich geschafft, das ÖVP-Fiasko um die (Nicht-)Kandidatur Erwin Prölls noch einmal zu überbieten. Ursula Stenzel war als freiheitliche Kandidatin für die Präsidentschaftswahl fix. Doch es wurde eineinhalb Tag zu früh publik. Und während sich FPÖ-Landesparteichefs bereits in den ersten Ergebenheitsadressen an die „ideale“ Kandidatin ergingen, brach im Internet der Aufstand der (bisherigen) Strache-Fans los. Gegen Stenzel.

Ursula Stenzel ist in der FPÖ nie wirklich angekommen. Oder besser gesagt: Sie wurde nie wirklich angenommen. Sie gilt der Basis als zu abgehoben. Wiewohl sie sich im Wiener Wahlkampf durchaus der (etwas tieferen) freiheitlichen Tonlage angepasst hat. Da hat sie allerdings auch ihren Nimbus als Vote-Getterin verloren.
Ursula Stenzel war einmal eine begnadete Wahlkämpferin – und sie hat mehr Wahlkämpfe als Spitzenkandidatin bestritten als all die anderen Hofburg-Bewerber zusammen. Drei EU-Wahlen und zwei Bezirksvertretungswahlen hat sie für die ÖVP mit Erfolg absolviert. Doch mittlerweile hat sie ihren Zenit überschritten.

Für eine Hofburg-Kandidatur würde es aber noch einmal reichen. Die FPÖ-Führung will nach den Erfahrungen mit Barbara Rosenkranz im Jahre 2010 nur keinen Wirbel mehr: Stenzel mit ihren jüdischen Wurzeln kam da eigentlich sehr recht. Denn an einen freiheitlichen Sieg bei der Hofburg-Wahl glaubt ohnehin niemand.
So gesehen wäre auch eine Kandidatur von Johann Gudenus, Straches Wiener Statthalter, riskant gewesen: Ihm wären sämtliche Zitate aus der Vergangenheit vorgehalten worden. Und bei der Wahl einer honorigen Persönlichkeit wie jener des Bundespräsidenten, der auch im Ausland Ansehen genießen soll, als rechter Paria dazustehen, wäre nicht nur keine gute Ausgangsposition gewesen, sondern hätte seine Karriere auf Dauer beschädigt.

Und so spülte der interne Widerstand gegen eine Stenzel-Kandidatur gestern Norbert Hofer wieder ins Rennen zurück. Dieser hatte bereits abgesagt, nicht zuletzt mit Verweis auf die Strapazen eines Wahlkampfs. Hofer ist bekanntlich nach einem Paragleiter-Unfall körperlich behindert. Und dennoch: Norbert Hofer, der besonnene Dritte Nationalratspräsident, wäre eigentlich die beste Wahl.
Wie immer das FPÖ-Match heute auch ausgeht: Wir werden danach einen noch nie dagewesenen Verteilungskampf im rechten und linken Lager erleben. Ausgang ungewiss. Auf der Linken steht dem Kandidaten der SPÖ ein ernst zu nehmender grüner Kontrahent gegenüber. Auf der Rechten wird der ÖVP-Kandidat von zwei Seiten bedrängt: von rechtskonservativ und bürgerlich-liberal.
In den derzeit veröffentlichten Umfragen liegen zwar Alexander Van der Bellen und Irmgard Griss vorn, aber das heißt nicht viel. Das Sample ist gering, die Zeit bis zum Wahltag noch lang. Und die Kandidaten der Koalitionsparteien kommen langsam in Schwung. Andreas Khol hat seine Anfangsnervosität abgelegt und plaudert sich mittlerweile in Interviews souverän durch die Zeitgeschichte. Auch inhaltlich ist die Linie festgezurrt: das Ende der Willkommenskultur mit zivilisiertem Antlitz.
Und auch Rudolf Hundstorfer ist nun entspannt, aber doch in den Wahlkampf gestartet. Und in diesem könnte der „jugendlichste“ aller Kandidaten, dessen Stärke der zwischenmenschliche Umgang ist, noch an Statur gewinnen. Wobei er den Mühlstein des auf Dauer ungelösten Problems des Pensionssystems mit sich herumschleppt. Wenn jemand für die Politik der kleinen Schritte steht – und zwar noch stärker als Werner Faymann –, dann Rudolf Hundstorfer.

Eine zeitgemäße Adaption des Amts, ja gar eine Neuausrichtung ist von keinem der fünf Kandidaten zu erwarten. Dafür sind sie alle viel zu sehr Teil des Establishments – selbst Irmgard Griss als frühere OGH-Präsidentin. Und Alexander Van der Bellen ist vom Habitus her ja auch ein konservativer Grüner.
Es kommt „more of the same“. Ein Präsident oder eine Präsidentin als großväterliche/großmütterliche Figur: bedacht, repräsentabel, freundlich und seriös, ab und zu ein mahnendes Wort, aber kein Kanzlerersatz. Das hätte mit Erwin Pröll wohl anders ausgesehen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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