Das liberale Vorzeigeland schafft Integration der Flüchtlinge nicht.
Weit ist es gekommen mit dem einst viel gerühmten skandinavischen Liberalismus und der großzügigen Asylpraxis. Die Nordeuropäer hatten nicht nur politische Flüchtlinge à la Brandt oder Kreisky mit offenen Armen aufgenommen, sondern auch Palästinenser, Kurden, Kroaten und allerlei Opfer von Diktatoren. Unter Olof Palme, dem ermordeten Premierminister, gerierte sich Schweden als humanitäres Vorzeigeland.
Im Vorjahr hat das Land 190.000 Flüchtlinge aufgenommen. Nun ist das Maß voll. Als die sozialdemokratisch dominierte Regierung Restriktionen in der Flüchtlingspolitik verkündete, brach die grüne Vizeregierungschefin Åsa Romson in Tränen aus. Stück für Stück demontierte die Koalition, von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten vor sich hergetrieben, ihre Asyltradition. Erst fand sie kaum noch Quartiere für Flüchtlinge – allenfalls am Polarkreis, dann führte sie an der Öresundbrücke zwischen Malmö und Kopenhagen Kontrollen ein, und jetzt beschloss sie die Deportation von gleich bis zu 80.000 Flüchtlingen.
Brutal ehrlich – oder ehrlich brutal? Schweden ist mit seinem Latein am Ende, völlig überfordert mit der Integration. Fragt sich nur, wer schlimmer ist: die Schweden oder die Dänen, die Vermögen von Flüchtlingen beschlagnahmen lassen?
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2016)