Stögers Konfrontationskurs zur ÖVP

Der neue Sozialminister Alois Stöger
Der neue Sozialminister Alois Stöger (c) Clemens Fabry
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Der neue Sozialminister Alois Stöger blockt bei den Reformvorschlägen zu Pensionen und Mindestsicherung ab. Eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters hält er für unnötig.

Die Presse: Das ist Ihr drittes Ministerium. Sind Sie der neue Wunderwuzzi der SPÖ?
Alois Stöger: Das ist ein falscher Begriff. Ich bin einer, der Herausforderungen annimmt.

Sozialminister ist der Traumjob für einen Gewerkschafter?
Es ist ein spannendes Ministerium. Ich bekomme richtig Lust, jetzt wo ich im Herzen der Sozialpolitik angekommen bin.

Wie legen Sie es an? Als linker Visionär wie einst Alfred Dallinger, oder als Verwalter wie ihr Vorgänger Rudolf Hundstorfer?
Ich bin kein Freund von solchen Kategorisierungen. Es geht darum, Sozialpolitik für die Zukunft zu machen. Wir brauchen heute Antworten für die Herausforderungen von morgen. Da geht es darum, Auseinandersetzungen zu führen und gleichzeitig viele einzubinden für tragfähige Lösungen.

Die erste Herausforderung steht unmittelbar bevor: Am 29. Februar soll eine Pensionsreform präsentiert werden. Wird es eine echte Reform?
Es geht um die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters. Wir müssen uns ansehen, haben die Instrumente dafür gegriffen, muss man irgendwo nachschärfen und einen stärkeren Akzent setzen.

Und? Muss man nachschärfen?
Man muss hinschauen. Ich bin für jede Verbesserung und jede gute Idee offen, wenn es darum geht, unser gutes Pensionssystem weiter zu entwickeln.

Die ÖVP hat eine gute Idee: Sie will eine Automatik einführen, die das Pensionsantrittsalter an gewisse Faktoren wie die Lebenserwartung bindet.
Wer glaubt, dass man komplexe gesellschaftliche Veränderungen auf eine Formel bringen kann, der täuscht sich. Manche wollen Pensionskürzungen vornehmen, ohne dass jemand dafür die Verantwortung trägt.

Es wird also mit Ihnen keine Automatik geben?
Ich glaube, dass das kein geeignetes Instrument ist. Diese Auseinandersetzung führe ich gerne.

Was ist dann Ihr Rezept für eine Anhebung des Antrittsalters?
Wir können auf der Ebene des Arbeits- und Gesundheitsgesetzes noch weitere Schritte setzen: Wie schaffen wir es, dass Menschen gesund in Pension gehen können? Da bin ich bereit, sehr viel zu tun.

Aber ist es nicht allein aufgrund der Demografie notwendig, langfristig das gesetzliche Antrittsalter anzuheben?
Wir haben Berechnungen, wonach die Gesamtaufwendungen für die Pensionen sich um sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts bewegen. Die Zahl schreckt mich nicht.

Aber das wird doch deutlich ansteigen, wenn es 2050 eine halbe Million Pensionisten mehr gibt?
Auch dann werden es sechs Prozent sein, da gibt es gute Prognosen. Das können wir uns leisten.

Es gibt auch langfristig kein höheres gesetzliches Antrittsalter?
Ich glaube, da haben wir keinen Handlungsbedarf.

Thema Flüchtlingszustrom: Ist der für das Sozialsystem verkraftbar?
Aus meiner Sicht ja. Viele Bereiche der Wirtschaft funktionieren, weil wir Menschen aus dem Ausland bei uns haben. Daher denke ich, dass das auf den Sozialstaat nur begrenzt Auswirkungen hat.

Die Prognose lautet, dass ein großer Teil der Flüchtlinge in der Mindestsicherung landen wird.
Am Arbeitsmarkt haben wir tatsächlich eine sehr angespannte Situation, aber in einem Ausmaß, das für Österreich bewältigbar ist. Die Mindestsicherung ist für die österreichische Bevölkerung geschaffen worden. Manche wollen jetzt unter dem Vorwand eines größeren Flüchtlingsandrangs die Mindestsicherung abbauen. Das halte ich für keine geeignete Maßnahme.

Da gibt es eine Reihe von Vorschlägen der ÖVP. Zum Beispiel eine Höchstgrenze von 1500 Euro für Familien.
Das trifft Familien mit zwei oder mehr Kindern. Wenn man das umsetzt, schafft man Kinderarmut. Man nimmt Kindern die Chance, sich zu entwickeln. Davor graust mir. Wenn man das macht, passiert dasselbe wie in anderen europäischen Hauptstädten, dass sich am Rand Slums bilden. Dann zahlt man die Kosten für diese Slums.

Zweiter Vorschlag: Weniger Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge.
Das ist klar völkerrechtswidrig. Es ist wichtig, dass wir die Menschen, die bei uns Schutz suchen, unterstützen. Dieser Vorschlag ist unserer Gesellschaft nicht angemessen.

Bleibt noch der Vorschlag einer Umstellung auf Sachleistungen.
Dafür bin ich nicht generell, aber in konkreten Fällen, etwa bei Personen, die sich schwer tun, mit Geld umzugehen, ist das hilfreich. Und wenn eine Gemeinde als Teil der Mindestsicherung eine Wohnung zur Verfügung stellt – warum denn nicht? Das ist auch jetzt schon möglich.

Wir haben mehr als 400.000 Arbeitslose. Wäre das nicht ein Grund für drastischeres Eingreifen?
Da gebe ich Ihnen Recht. Wir benötigen wieder ein Investitionsklima, da müsste in ganz Europa ein Umdenken entstehen. Auch die öffentliche Hand muss investieren dürfen. Als Verkehrsminister ist es mir gelungen, 25 Milliarden Euro bis zum Jahr 2021 für Investitionen zu sichern.

Das wird das Problem aber nicht lösen können.
Alleine sicher nicht, es braucht auch die Impulse der Gesamtwirtschaft. Aber auch aus den Investitionen der öffentlichen Hand entwickelt sich eine Dynamik.

Es gäbe auch andere Ansätze: Etwa schärfere Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose.
Glauben Sie, wir haben dann einen einzigen Arbeitsplatz mehr?

Die Hoteliers zum Beispiel sagen, sie bekommen keine Leute.
Manche Hoteliers sollen sich ansehen, welche Arbeitsbedingungen sie anbieten. Wenn die Qualifikationen verbessert werden, wenn die Arbeit Spaß macht, wenn es ein guter Arbeitsplatz ist in der Gastronomie, dann werden sich auch mehr für diesen Bereich interessieren.

Zur Person

Alois Stöger (55) ist gelernter Maschinenschlosser und hat eine Gewerkschaftskarriere hinter sich. 2008 wurde Stöger von Werner Faymann als Gesundheitsminister in die Regierung geholt. Dort galt er lange Zeit als farblos und als Ablösekandidat, ehe er mit der Gesundheitsreform 2013 einen Erfolg landen konnte. 2014 wechselte er ins Verkehrsministerium, seit 26. Jänner ist er Sozialminister.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2016)

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