Kampf um die Hofburg 1986: „Der Mann, dem die Welt vertraut“

Pr�sidentschaftswahl 86: Waldheim, Steyrer, Meissner-Blau, Scrinzi
Pr�sidentschaftswahl 86: Waldheim, Steyrer, Meissner-Blau, Scrinzi(c) R.J�ger / APA-Archiv
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Ende Jänner war Waldheims Wahlkampagne fix und fertig. Alois Mock und sein Team hatten die Wahlwerbung generalstabsmäßig vorbereitet.

Vor dreißig Jahren, Ende Jänner 1986, war der Präsidentschaftswahlkampf der ÖVP für Kurt Waldheim bis ins kleinste Detail fertig. Das Kernteam hatte sich in der Argentinierstraße 20 eingemietet, um den Anschein zu verstärken, hier handle es sich um einen unabhängigen Kandidaten, der zwar schon einmal ÖVP-Außenminister war, danach aber ein über den Parteien stehender UN-Generalsekretär. Als Pressechef fungierte der Journalist Gerold Christian, der seinen schönen Wiener Job bei den „Salzburger Nachrichten“ dafür aufgegeben hatte.

Da ich Waldheim schon im Jahr 1971 bei seiner ersten Bewerbung durch Österreich begleiten durfte, bekam „Die Presse“ ihr erstes Interview des Kandidaten. Vom Mitbewerber Kurt Steyrer (SPÖ) übrigens auch. Dessen Betreuer hieß Karl Schlögl, er war damals ein junger Leitender Sekretär in der Löwelstraße, zuständig für Organisation. Ein „Reisemarschall“ also.

Im Parteiarchiv der Volkspartei ist der „Generalstabsplan“ der Partei penibel nachzulesen. Parteiobmann Alois Mock sah nach 16-jähriger Durststrecke in ohnmächtiger Opposition zum ersten Mal einen bundesweiten Sieg in Reichweite. Daher hatte er schon im Jahr davor alle Sondierungen der Sozialisten zurückgewiesen, den renommierten Staatsmann Waldheim als gemeinsamen schwarz-roten Kandidaten zu nominieren. Der Pensionist Bruno Kreisky war sehr dafür, der amtierende Bundeskanzler, Fred Sinowatz, auch, wenngleich nicht ganz so euphorisch. Sinowatz kam aus dem Burgenland, war dort Parteisekretär, Landesrat und Landtagspräsident, dachte in engen parteipolitischen Kategorien. So wurde es letztlich Kurt Steyrer, ein eleganter sportlicher Hautfacharzt in Wien Landstraße, Standesvertreter und seit vier Jahren Gesundheitsminister. Seine Strahlkraft beschränkte sich auf das Wiener SPÖ-Biotop. Aber das war nicht zu unterschätzen, vor allem bei den Pensionisten.

Waldheims erste Postwurfsendung, eine bunte Illustrierte von zwanzig Seiten, lag bereit. Neben vielen Schnappschüssen, die den höchsten UN-Beamten mit den Großen der damaligen Welt zeigten, mehreren Familienfotos, die im Refugium am Attersee gemacht wurden, gab der Kandidat auch Auskunft über die schwierigen Kriegsjahre, in die seine Frau Elisabeth („Sissi“) und er hineingeworfen waren.

Jusstudium und Kriegseinsatz

„Nach meiner Kriegsverletzung bin ich lange Zeit nicht frontfähig gewesen“, gibt er zu Protokoll. So habe er 1944 sein Jusstudium abschließen können und dann geheiratet. „Zu Kriegsende bin ich über Triest – dort war ich zu dieser Zeit eingesetzt – nach Österreich zurückgekehrt und habe mich über Kärnten in die Ramsau durchgeschlagen.“ Dort kam auch die erste Tochter, Lieselotte, zur Welt.

Nicht fehlen durften in dieser Broschüre lobende Worte der politischen Gegner, von Jonas über Gratz bis Kreisky, der Waldheim stets schätzte. Besonders pikant liest sich das Zitat des damaligen außenpolitischen Sprechers der SPÖ-Fraktion, des scharfzüngigen Marxisten Karl Czernetz, über Waldheim: „Ein Mann, der die schwierigste Aufgabe der Welt übernommen hat und der für den Mut und die Tatkraft, die er bei den Bemühungen zeigt, diese Aufgabe zu meistern, zu bewundern ist . . .“

Bald sollte das alles Makulatur werden. Die frommen Lobsprüche aus dem linken Lager hörten sich im März 1986 ganz schnell auf.

Die ersten Fragen nach Details über Waldheims politischen Werdegang tauchten schon 1971 auf, als das deutschnationale „Salzburger Volksblatt“ in einer kurzen Notiz lobend über Waldheims Mitgliedschaft in einer SA-Standarte während seiner Studienzeit an der Diplomatischen Akademie schrieb. Das hatte keinerlei Echo.

Nach einer Anfrage von Yad Vashem erkundigte sich der österreichische „Eichmann-Jäger“ Simon Wiesenthal 1979 beim Berlin Document Center. Er berichtete Yad Vashem, Waldheim habe als Leutnant in der Heeresgruppe E auf dem Balkan gedient, aber nie einer NS-Organisation angehört. 1980 schrieb die US-Zeitung „The New Republic“, Waldheim sei seit 1938 in der „Nazi-Jugendbewegung“ gewesen. Der UN-Generalsekretär wies dies als „Dummheiten“ zurück – auch schriftlich gegenüber dem Kongressabgeordneten Stephen Solarz. Und auch die CIA konnte dies nicht erhärten.

NS-Mitglied? Fehlanzeige

Am 3. Oktober 1985, als Waldheims Kampagnenteam präsentiert wurde, fragte der Journalist Georg Karp (früher beim „Stern“), was es mit der behaupteten Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) auf sich habe. Das Nachrichtenmagazin „Profil“ recherchierte – und meldete: Fehlanzeige.

Doch die Mitarbeiter des SPÖ-Chefs und Bundeskanzlers, Fred Sinowatz, hatten schon mehr in der Hand. Am 28. Oktober 1985 deutete Sinowatz dem burgenländischen Landesvorstand kryptisch an, man werde „zur rechten Zeit vor der Präsidentenwahl in einer groß angelegten Kampagne die österreichische Bevölkerung über Waldheims braune Vergangenheit informieren“. Es war die Klubchefin im Landtag, Ottilie Matysek, die damals mitschrieb. In einem späteren Presseprozess stritt Sinowatz das ab, alle Vorstandsmitglieder wollten auch nichts gehört haben, aber der Richter glaubte Frau Matysek, verurteilte Sinowatz wegen Meineids – und die Protokollführerein Matysek wurde von der pannonischen Nomenklatura politisch umgebracht.

Nächsten Samstag:
Kohls Telefonat mit Gorbatschow vor 25 Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2016)

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