Es fährt ein Zug nach Teheran

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Österreicher Josef Donhauser und der Iraner Mohammed Khalafi wollen Millionen Bahnfahrer im Iran verköstigen. Die Geschichte eines Geschäfts trotz Sanktionen und einer Freundschaft, die Gott persönlich eingefädelt haben soll.

Staatsbesuche, Milliardendeals, verhüllte Statuen: Der Iran ist in der vergangenen Woche mit großem Tamtam wieder auf die Weltbühne zurückgekehrt, nachdem ein in Wien eingefädelter Atom-Deal die Sanktionen gegen das Land lockern konnte. Aber die Mega-Deals, die der Präsident des Iran, Hassan Rohani, zuletzt in Rom und Paris einfädeln konnte, sie erzählen nur die halbe Geschichte. Denn der Iran mit seinen 80 Millionen Einwohnern hatte ja während der Zeit der Sanktionen nicht einfach aufgehört zu existieren.

Während sein Präsident in Paris über Öl und Peugeots redet, sitzt Mohammed S. Khalafi im Wiener Luxushotel Kempinski, lacht und raucht sich eine Zigarre an. Es ist 8.30 Uhr am Morgen, und Khalafi ist gut gelaunt. „Genau hier habe ich vor anderthalb Jahren den Josef kennengelernt“, erzählt Khalafi und klopft seinem Sitznachbarn, Josef Donhauser, auf die Schultern.


Dunkle Zeit der Sanktionen

Die zwei Männer verbindet auf den ersten Blick relativ wenig. Der 34-jährige Khalafi betreibt im Iran ein privates Eisenbahnunternehmen – angefangen hat er seine Karriere aber als Elfjähriger im Teppichgeschäft seiner Familie in Zanjan, einer Stadt so groß wie Graz, 300 Kilometer nordwestlich von Teheran. Donhauser kommt aus Kirchberg am Wechsel, einer kleinen Gemeinde im südlichen Niederösterreich, rund 4000 Kilometer westlich von Teheran. Seine Eltern betrieben dort eine kleine Konditorei. Donhauser machte daraus ein Catering-Unternehmen, das Don. Zusammen gebracht hat sie Gottfried Rieck, ebenfalls ein Eisenbahnmann, im Oktober 2014. Khalafi hat damals für seinen Traum, zum größten Bahnunternehmer des Iran aufzusteigen, einen Caterer gesucht.

„In den dunklen Zeiten der Sanktionen hatten wir ein kurzes Treffen hier in Wien“, erzählt der 46-jährige Donhauser. „Zwei Wochen später war ich in Teheran, und wir haben ein Memorandum of Understanding unterschrieben. So hat alles begonnen.“ Khalafi ist gerade dabei, 200 gebrauchte Passagierwaggons der Deutschen Bahn im Iran renovieren zu lassen. Seine Firma Fadak Trains will den Gästen vier Klassen bieten – eine mehr als die ÖBB. Die Versorgung steht im Mittelpunkt. Aber das ist erst der Anfang.


Brüder und Seelenverwandte

Im Iran fahren pro Jahr 29 Millionen Menschen mit dem Zug. Drei Millionen davon in Waggons von Khalafi. Er ist im Geschäft, seit der Staat die ganze Eisenbahn privatisieren ließ und die Waggons an Unternehmer verkauft hat – nicht aber die Infrastruktur, die beim Staat bleibt. „Das ist das beste System“, sagt Khalafi. Das Potenzial ist groß. 95 Prozent allen Verkehrs entfallen im Ölstaat Iran auf die Straße. Nur fünf Prozent auf die Schiene – und fünf Prozent auf die Luftfahrt, die Khalafi ohnehin als Kunde für das neue, gemeinsame Cateringgeschäft gewinnen will.

Damit nicht genug. „Wir wollen das größte Cateringunternehmen der Welt aufbauen“, sagt Khalafi und blickt Donhauser an. Er nennt den Niederösterreicher seinen „Bruder“, seinen „Seelenverwandten“ – und besteht gar darauf, dass niemand Geringerer als Gott die beiden Geschäftspartner zusammengebracht habe. Khalafi ist ein begeisterungsfähiger Mensch, gewiss. Aber im Sanktionsregime war das Geschäftemachen schwierig, ein wenig Euphorie ist durchaus verständlich.

Zwar waren Geschäftsfelder wie Tourismus und Gastronomie von den Sanktionen des Westens nie direkt betroffen. Auch Firmen wie der Liftbauer Doppelmayr oder Plasser & Theurer, immerhin Weltmarktführer bei Gleisbaumaschinen, waren schon während der Sanktionen im Iran vertreten. Die Exporte beliefen sich in den vergangenen Jahren auf rund 300 Mio. Dollar pro Jahr. Aber die Sanktionen waren allgegenwärtig – vor allem bei Finanzdingen.


Wie kommt das Geld ins Land?

„Auch wenn es für das Bahnbusiness keine offiziellen Sanktionen gab, das größte Problem war der Geldtransfer“, erzählt Josef Donhauser. Das Geld musste aus Dubai oder der Türkei in den Iran überwiesen werden, wo eine Bank es in einem großen gemeinsamen Topf „wiederfinden“ musste, wie Donhauser es ausdrückt. Das war nicht illegal, die Nationalbank wusste immer Bescheid. Aber es war mühsam. „Ich musste für jede Überweisung nach Dubai fliegen“, so der Unternehmer.

Und auch jetzt, da die Sanktionen langsam aufgehoben werden, ist die Situation nicht plötzlich perfekt. Viele Banken schrecken davor zurück, wieder ins Iran-Geschäft einzusteigen – auch wenn die Anbindung des Landes an das internationale Zahlungsverkehrssystem Swift bald durchgeführt werden sollte. Noch gibt es weder ein Investitionsschutzabkommen noch freien Geldverkehr oder wirklich freien Personen- oder Warenverkehr zwischen Österreich und dem Iran. Es gibt allerdings etwas anderes: Vertrauen.

„Österreich hat die kulturellen Beziehungen nie eingestellt“, erzählt Donhauser. Im September vergangenen Jahres, da war die Tinte unter dem Atom-Deal noch nicht mal trocken, war sofort eine Delegation unter Führung des Bundespräsidenten, Heinz Fischer, in Teheran. Damals wurden Deals und Agreements in Höhe von 80 Millionen Euro abgeschlossen – unter penibler Einhaltung der weiter bestehenden Sanktionen. Auch auf zwischenstaatlicher Ebene wurde die Zusammenarbeit intensiviert. Es gibt laut Außenministerium Abkommen in den Bereichen Umwelt, Energie, Industrieanlagenbau, Infrastruktur, Informationstechnologie, Tourismus-Ausbau, Medizin und sogar Katastrophenhilfe. Dazu kommen etliche Agreements zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Zudem verhandeln Vertreter beider Staaten aktuell eine Roadmap, die die Zusammenarbeit in den Jahren 2016 bis 2020 skizzieren soll.

Josef Donhauser und Mohammed S. Khalafi waren da natürlich dabei – aber die eigene Kooperation war längst in trockenen Tüchern. Es bedurfte Verhandlungen, die über ein halbes Jahr liefen – und zwar in einer Zeit, in der noch nicht absehbar war, wann die Sanktionen gelockert werden. Als sie ihren Vertrag dann Anfang März 2015 unterschrieben, übertrug das Staatsfernsehen live „in der iranischen Variante der ,Zeit im Bild‘“, sagt Donhauser. Hinter den beiden Geschäftsleuten standen der stellvertretende Eisenbahnchef und der Vize-Präsident – und grinsten in die Kamera.


40.000 Essen pro Tag

Gemeinsam planen Donhauser und Khalafi jetzt bereits den nächsten Schritt in der iranischen Tourismusindustrie, in der nach dem Ende der Sanktionen ein Boom erwartet wird: eine Schule, ähnlich einer österreichischen Hotelfachschule. Aber derzeit errichten sie erst einmal in Teheran eine Küche, die 6000 Quadratmeter groß sein soll. Es wird auch schon gekocht, natürlich halal.

Drei Millionen Euro haben die Partner bisher in das Joint Venture investiert. Bis zu 20 Millionen könnte das Projekt in seiner letzten Ausbaustufe kosten. Dann soll die Küche eine Kapazität von 40.000 Essen pro Tag haben. Aber noch backen die Partner etwas kleinere Brötchen. Rund 1200 Essen kommen bisher täglich aus der gemeinsamen Küche, in der noch heuer bis zu 120 Mitarbeiter arbeiten sollen – auch wenn das Gebäude noch gar nicht komplett fertiggestellt ist.

Aus der Küche, die über eine eigene Bäckerei sowie ein Lebensmittellabor verfügen soll, beliefern die Partner neben Khalafis eigenem Bahnunternehmen noch ein weiteres der insgesamt acht privaten Eisenbahngesellschaften. Die Rail Pardaz Seir Company nimmt dem Catering jährlich drei Millionen Portionen ab. Die schiere Größe des Landes macht das Catering zu einem Kernfaktor im Bahnservice, denn eine durchschnittliche Bahnreise dauert im Iran zwölf Stunden – da spielt der Hunger eine Rolle.


Persian Phoenix. Der Iran ist nach dem Atom-Deal freilich nicht über Nacht zum westlichen Land geworden. Die Zeit der Ausgrenzung steckt allen in den Knochen. Und niemand hat vergessen, wer auch in schweren Zeiten den Kontakt gehalten hat. „Heute ist es natürlich ein Riesen-Asset, schon während der Sanktionen im Iran gewesen zu sein. Das wird dort sehr geschätzt – bis in die höchsten politischen Kreise“, so Donhauser. Khalafi bestätigt: „Jeder in der Regierung weiß, dass die Unternehmen, die während der Sanktionen in den Iran gekommen sind, kostbar sind. Die, die jetzt im Frühling plötzlich auftauchen, werden im nächsten Herbst wieder verschwinden.“

Wenn noch ein Unternehmen aus Österreich in den iranischen Eisenbahnmarkt einsteigen wolle, sollten sie zuerst Donhauser kontaktieren, sagt Khalafi – und lacht. „Jeder sollte über Josef kommen, er ist mein Bruder. Er respektiert auch die Unterschiede zwischen unseren Völkern, er weiß, dass wir unsere eigenen Bräuche und unsere eigene Kultur haben.“

Gemeinsam mit Gottfried Rieck, der sie einander vorgestellt hat, wollen die beiden schon bald auch den Orient-Express „in den Schatten stellen“. Persian Phoenix heißt der Hotelzug, den der Iraner und die beiden Österreicher 2017 auf die Schiene stellen wollen – um zahlungskräftige Kunden ins Land zu holen. Ob es bis dahin weniger, mehr oder gleich viele Sanktionen gibt, ist ihnen dabei „ziemlich egal“.

In Zahlen

29Millionen

Menschen fahren im Iran jedes Jahr mit dem Zug.

1200Mahlzeiten
erzeugen Donhauser und Khalafi derzeit am Tag. Die Zahl soll auf 40.000 steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

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