Der IS-Headhunter von Graz

Seidler
  • Drucken

Für mehrere Jihadisten-Prozesse wird das Landesgericht Graz zum Hochsicherheitstrakt. Erster Angeklagter ist ein Bosnier, der in einem kleinen Verein Kämpfer rekrutiert haben soll.

Graz/Wien. Nun also der nächste. Im Lauf der vergangenen Monate stand in Österreich eine ganze Reihe von Personen vor Gericht, die, in welcher Form auch immer, mit der Jihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) sympathisierten. Die meisten von ihnen waren unbedeutende Rädchen im System. In Graz muss sich ab heute, Dienstag, jedoch ein Bosnier vor Gericht verantworten, der für die Terrorpaten aus Raqqa von einiger Bedeutung bei der Rekrutierung ausländischer Kämpfer gewesen sein dürfte.

Gericht und Staatsanwaltschaft gaben vor Verhandlungsbeginn nur die nötigsten Details zu Fikret B. bekannt. Dazu gehörte der Vorwurf, sich an terroristischen und kriminellen Vereinigungen beteiligt zu haben. Doch hinter diesen sehr allgemeinen Informationen steht eine interessante Figur der Szene.

„Presse“-Recherchen ergaben, dass B. in intensivem Kontakt zu jenem serbischen Staatsbürger stand, der bis in den Herbst 2014 hinein als Salafistenprediger Ebu Tejma in Mitteleuropa junge Muslime radikalisierte. Ende Februar wird auch dieser Prediger, der mit bürgerlichem Namen Mirsad O. heißt, in Graz vor Gericht stehen. Jedenfalls: Während Ebu Tejma und Mitglieder seines Netzwerks Ende November 2014 im Rahmen einer bundesweiten Großrazzia („Operation Palmyra“) festgenommen wurden, gelang Fikret B. die Flucht. Er verließ seinen Wohn- und Arbeitsort Graz in Richtung Bosnien, wo er in der abgeschiedenen Salafistenhochburg Gornja Maoča Unterschlupf fand.

Nachdem die öffentliche Aufregung in den ersten Wochen nach der Razzia verflogen war, machte sich B. auf den Weg zurück nach Graz. Doch er kam nicht weit. Bereits bei der Einreise in die EU wurde er am 17. Dezember 2014 von der kroatischen Polizei und auf Basis eines in Österreich ausgestellten internationalen Haftbefehls festgenommen. Vier Wochen später überstellten ihn die Zagreber Behörden nach Österreich. Warum man den 49-Jährigen so hartnäckig suchte?

Der Verein Furkan

Nach Auffassung des Verfassungsschutzes radikalisierte er in Österreich eine ganze Reihe junger Muslime und bereitete sie auch körperlich für weitere militärische Schulungen in Syrien vor. Er soll in Graz das gewesen sein, was in der Geschäftssprache mit Headhunter umschrieben wird. Eine Person also, die die am besten geeigneten Personen für seinen Auftraggeber rekrutiert. Seine Aktivitäten entfaltete er mit einer Gruppe anderer Personen und im Rahmen eines religiösen Vereins namens Furkan. Ein Verein, der schon länger unter Beobachtung der Behörden steht und mehrfach Schauplatz von Razzien war. Ein Verein, der 2008 von mehreren Salafisten in der Wohnung eines anderen Radikalen gegründet worden war. Schon ein Jahr zuvor hatten die Behörden registriert, dass B. mit anderen Gründungsmitgliedern zum Zweck einer Glaubens- und Sprachschulung in Syrien war.

Die Organisation des Islamischen Staats existierte damals in ihrer heutigen Form noch nicht. Daher ist es nur logisch, dass der Verein Furkan und B. zu Beginn insbesondere die Ideologie von al-Qaida und später ihres Syrien-Ablegers al-Nusra unterstützt haben dürften. Spätestens im Jahr 2013 soll es dann jedoch zum Schwenk in Richtung IS gekommen sein.

Koranverteilung mit Ebu Tejma

Innerhalb der Furkan-Aktivitäten fiel der enge Kontakt B.s zum radikalen Prediger Ebu Tejma auf, der mit Gefolgsleuten immer wieder aus Wien nach Graz reiste, um dort seine Ideen zu verbreiten. Gemeinsam verteilten sie auch den Koran.

Zusammen mit den anderen Vereinsgründern dürfte B. die Entsendung mehrerer Kämpfer orchestriert haben. Unter ihnen Sevket G., Enes C. und Emrullah K., allesamt türkische Staatsbürger mit Wohnsitz Wien und engen Verbindungen nach Graz.

Der Prozess gegen B. ist derzeit auf vier Verhandlungstage angesetzt (2. Februar sowie 1. bis 3. März). Zwar gab es im Vorfeld keine konkreten Drohungen gegen das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, dennoch wird der Prozess von bewaffneten Kräften der Justizwache und der Polizei besonders geschützt.

Ende der Woche startet in Graz ein zweiter Prozess gegen mutmaßliche IS-Sympathisanten, ehe am 22. Februar schließlich die Verhandlung gegen Mirsad O., alias Ebu Tejma, startet.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

STEIERMARK: PROZESS GEGEN MUTMASSLICHE JIHADISTEN IN GRAZ
Home

Jihadisten-Prozess in Graz: Fünf Tschetschenen angeklagt

Von acht Beschuldigten erschienen drei Männer und zwei Frauen. Der Hauptangeklagte soll Kämpfer nach Syrien geschickt haben.
Österreich

Jihadisten-Prozess: „Das ist politische Pornografie“

Anklage führte Enthauptungsvideos aus dem Archiv des Angeklagten vor. Der will sie für Sprachschulung genutzt haben.
PROZESS GEGEN MUTMASSLICHEN JIHADISTEN IN GRAZ
Home

Prozess gegen Jihadisten: Massentötungsvideo vorgeführt

In Graz wird heute der Prozess gegen einen mutmaßlichen Jihadisten fortgesetzt. Ein Bekannter des Angeklagten ist auf einem Propaganda-Video für den sogenannten IS zu sehen.
Österreich

Prozess gegen Jihadisten: Bin „milder Gläubiger“

Ein angeklagter Bosnier bestreitet am Grazer Straflandesgericht eine Tätigkeit für den Islamischen Staat. Der Staatsanwalt wirft ihm „massiv faschistische“ Ideologie vor.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.