Österreichs Vizekanzler und der CSU-Chef machen sich in Russland für heimische Firmen stark.
Wien. Moskau steht als Reiseziel christdemokratischer deutschsprachiger Spitzenpolitiker in dieser Woche hoch im Kurs. Der Zeitpunkt, der Reinhold Mitterlehner und Horst Seehofer zu einer politisch heiklen Mission nach Russland führt, ist wohl nicht zufällig gewählt. Denn erst vor wenigen Wochen hat die EU die Wirtschaftssanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate verlängert – und der Druck aus der Wirtschaft in Richtung Aufweichung der Strafmaßnahmen steigt.
Anlass der Reise des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers, die seit Monaten minuziös geplant und bereits im Oktober mit dem EU-Kommissionspräsidenten, Jean-Claude Juncker, abgestimmt worden ist, ist die 15. Tagung der Österreichisch-Russischen Gemischten Kommission für Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit, wie es offiziell heißt („Die Presse“ berichtete darüber). Freilich werde Mitterlehner nur innerhalb des Sanktionenregimes der EU agieren, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Es sei kein Widerspruch, den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland voranzutreiben und die Anliegen österreichischer Exporteure vorzubringen.
Milliardenprojekte der OMV
Bei seinem Vorhaben, die Geschäfte zu intensivieren und Russland als Partner wieder salonfähig zu machen, wird Mitterlehner von einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation begleitet: von Andritz-Boss Wolfgang Leitner, dem Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank, Walter Rothensteiner, und nicht zuletzt von OMV-Chef Rainer Seele. Seele plant mit der russischen Gazprom zwei Milliardenprojekte: die Beteiligung der OMV an der russischen Pipeline Northstream II und an russischen Gasfeldern in Urengoy. Neben Terminen mit Premier Dmitrij Medwedjew, Wirtschaftsminister Alexej Uljukaew und Energieminister Alexander Nowak steht auch ein Besuch in der Gazprom-Zentrale und bei dessen Chef, Alexei Miller, auf dem Programm.
Wolfgang Katzian, der Vorsitzende der Gewerkschaft für Privatangestellte, nimmt sich kein Blatt vor den Mund: „Ich habe schon mehrfach gesagt, dass die Sanktionen nicht der richtige Weg sind. Lösungen für Europa und die Welt können nur mit und nicht gegen Russland funktionieren.“ Werner Muhm, Direktor der Arbeiterkammer Wien, teilt Katzians Meinung: „Russland ist zentraler und natürlicher Handelspartner Europas. Die Handelsverknüpfungen sind viel engere als beispielsweise jene zu den USA. Man sieht ja, was der Verfall des Rubel für die Banken und den Tourismus bedeutet.“ Peter Pilz von den Grünen hingegen ist fassungslos. „Ich halte es für verantwortungslos, dass die OMV unter den Augen von Schelling und Mitterlehner an die Gazprom ausgeliefert wird. Gazprom ist die Waffe Putins.“
Am Donnerstag hat sich auch Horst Seehofer, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef, im Kreml angesagt – allerdings ohne Wirtschaftsdelegation im Schlepptau. Wirtschaftskapitäne wie Siemens-Chef Joe Kaeser werden ihn wohl bei einem avisierten weiteren Moskau-Besuch in der zweiten Jahreshälfte begleiten. Die EU-Sanktionen und die Interessen der bayerischen Wirtschaft werden aber schon diesmal zur Sprache kommen. Seehofer gilt als deklarierter Skeptiker der Strafmaßnahmen gegen Russland. „Wir Bayern haben seit Langem traditionell sehr gute Beziehungen zu Russland“, erklärte er.
Bayerische Extratouren
Die Fäden für die Visite hat Edmund Stoiber gezogen, den mit Wladimir Putin eine Männerfreundschaft verbindet. Für außenpolitische Extratouren waren der Ex-Ministerpräsident und dessen Vorbild, Franz Josef Strauß, stets gut. Strauß hatte einst den Privatjet für einen Gorbatschow-Besuch in Moskau selbst pilotiert. Seehofers Visite hat im Vorfeld in der Großen Koalition in Berlin für Irritationen gesorgt. „Die Außenpolitik wird in Berlin gemacht, nicht in München“, lautete der Rüffel aus der SPD. Jürgen Trittin von den Grünen ätzte: „In Putin trifft Seehofer einen Gleichgesinnten.“ Der CSU-Chef versprach, keine „Nebenaußenpolitik“ zu betreiben. Der Besuch sei mit Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier akkordiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2016)