Sophie Karmasin präsentierte erst kürzlich eine neuerliche Reform des Kindergeldes. Ein Teil der Arbeit der Familienministerin hat allerdings eher symbolischen Charakter.
Das wäre eigentlich ein Job für Sophie Karmasin: Die 49-jährige Wienerin hat in ihrer Zeit als Motivforscherin regelmäßig die Performance von Politikern bewertet. Damals wusste sie es besser, sagt die jetzige Jugend- und Familienministerin. Nun will sie es selbst „besser machen“.
Aber: Macht sie das tatsächlich? Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Und zwar aus zweierlei Gründen.
Mehr als zwei Jahre sind immerhin schon seit jenem Dezembertag des Jahres 2013 vergangen, als sie der damalige ÖVP-Chef Michael Spindelegger völlig überraschend ins Regierungsteam geholt hat. Als parteiunabhängiges Mitglied, als modernes Signal an die bürgerliche, urbane Frau. Und, bis zu einem gewissen Grad, als Kampfansage an die Neos.
Mit Michael Spindelegger verschwand allerdings im Sommer 2014 auch ihre Lobby in der Partei. Das Verhältnis zum nunmehrigen Chef, Reinhold Mitterlehner, soll kein besonders enges sein. Als parteifreie Ministerin kann Karmasin auch nicht auf die Unterstützung eines in der Volkspartei so wichtigen Bundes hoffen.
Die ÖVP-Frauen waren von der Ernennung einer parteifremden Person auch nicht begeistert. In den eigenen Reihen hätte es genügend geeignete Kandidatinnen gegeben, richtete man Spindelegger damals aus.
Seitdem kämpft Sophie Karmasin gegen die zum Teil verhärteten Fronten in der ÖVP. Denn genau jene Rolle der modernen Frau, die sie eigentlich anfangs einnehmen sollte, wird ihr zeitweise zum Verhängnis: Dass für Karmasin auch gleichgeschlechtliche Paare eine Familie sind, und sie die Interessenvertretung von Homosexuellen zu einem runden Tisch einlud, hat nicht jedem in der Volkspartei gefallen.
Sach- statt Geldleistungen
Ebenso, dass Karmasin den Anteil an Kinderbetreuungsplätze massiv erhöhen möchte und (zum Teil) eher auf Sach- denn auf Geldleistungen setzt. Auch bei den Frauenagenden würde sich Karmasin wohl gern mehr trauen, als ihr die Partei erlaubt.
Aber nicht nur ihre persönliche Macht in der Partei, auch die Kompetenzen ihres Ressorts sind begrenzt: Vor allem bei den Jugendagenden haben die Bundesländer ein gar nicht so kleines Wörtchen mitzureden. Das macht Reformen besonders schwierig. Das von Sophie Karmasin angeregte Tabakverbot für Minderjährige hätte sie mit den Bundesländern verhandeln müssen.
Prinzipiell geht Karmasin ihren neuen Job ähnlich an wie in ihrem früheren Leben jenen in der Privatwirtschaft: Sie gibt Studien in Auftrag, sammelt Daten, lässt die Zielgruppe befragen. Dann leitet sie eine These bzw. politische Forderung daraus ab. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Auch, dass Karmasin keine Ideologin ist und Themen abseits parteipolitischen Geplänkels angeht, glaubt man ihr. Nur: In vielen Fällen scheitert sie an der Umsetzung. Aus vorhin angeführten Gründen.
Flexible Frauenquote
Ihre Forderung etwa nach einer flexiblen Frauenquote für Führungspositionen in der Privatwirtschaft? Die SPÖ winkt ab, weil ihr der Plan nicht weit genug geht. Die Unternehmen hingegen haben kein Interesse daran, sich zu verpflichten. Weder freiwillig noch flexibel. Auch ihr Gütesiegel, das sie quasi für familienfreundliche Unternehmen ins Leben gerufen hat, ist ein schönes Signal. Massive Auswirkungen auf das Erwerbsleben von Väter und Mütter darf man allerdings bezweifeln.
Höhere Väterbeteiligung
Eine Neuerung setzte Karmasin zuletzt allerdings doch durch: die Reform des Kinderbetreuungsgeldkontos. Die Änderungen, die Ende Jänner in Begutachtung geschickt wurden, sollen eine größere Flexibilität, mehr Partnerschaftlichkeit und eine höhere Väterbeteiligung bei der Karenz bringen.
Die Präsentation übernahm Karmasin allerdings allein – ohne ihre sogenannte Spiegelministerin und Ko-Verhandlerin, Gabriele Heinisch-Hosek (ÖVP). Ein wenig parteipolitisches Denken dürfte sich Karmasin also doch antrainiert haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2016)