Unter dem Deckmantel der Weltraumerforschung will Pjöngjang eine Langstreckenrakete starten. Japan droht mit ihrem Abschuss. Südkorea sieht „schwere Bedrohung für die Welt“.
Tokio. Wegen des geplanten Raketentests durch Nordkoreas altstalinistisches Regime geht in der Region die Angst um. Das südkoreanische Präsidialamt droht mit einem „hohen Preis“, den Diktator Kim Jong-un für einen etwaigen Raketenabschuss zahlen müsse. Ein Präsidentensprecher warnte im Fernsehen vor einer „schweren Bedrohung für die koreanische Halbinsel, die Region und die Welt“.
Auch die USA sehen in dem durch UN-Resolutionen verbotenen Start eine Eskalation der Lage in Fernost, die seit dem angeblichen Test einer nordkoreanischen Wasserstoffbombe Anfang des Jahres ohnehin angespannt ist. Der zuständige Staatssekretär im US-Außenministerium, Daniel Russel, fordert eine sofortige Verschärfung der Sanktionen gegen Nordkorea.
In Pjöngjang sieht man das ganz anders. Die offizielle Propaganda behauptet, dass es sich bei dem zwischen 8. und 25. Februar geplanten Test um den Start eines nicht militärischen Satellitenstarts ins All handelt. Entsprechend informierte der international isolierte Staat drei UN-Organisationen. Damit seien die Verpflichtungen für die vierjährige wissenschaftliche Mission erfüllt. Pjöngjang besteht darauf, ein Recht auf die eigenständige Erforschung des Alls zu haben.
An die Mär von einer friedlichen Weltraummission glauben jedoch wohl nur Kims Volksgenossen. Von einem nordkoreanischen Weltraumprogramm ist bisher nur wenig bekannt. Angeblich soll im Dezember 2012 nach mehreren verfehlten Versuchen ein Satellit ins All geschossen worden sein, der nach neutralen Beobachtungen der Spionage dienen sollte. Schon damals gab es den Verdacht, dass die stalinistische Führung in Wirklichkeit eine Interkontinentalrakete getestet hatte, die wohl schon nach sehr kurzer Zeit ins Meer abgestürzt war. Auch diesmal gehen die betroffenen Nachbarn von einem getarnten Langstreckenraketentest aus. Nach Südkoreas Geheimdienstinformationen soll die dreistufige Rakete in Richtung Philippinen fliegen.
Tokio stärkt Luftabwehr
Das Pentagon und japanische Medien warnen seit Tagen vor unabsehbaren Folgendes Raketenstarts. Japans Regierung hat schon vor drei Jahren in Tokio und an anderen strategischen Punkten seines Inselreichs Luftabwehrbatterien positioniert. Auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums wurden am 31. Jänner Patriotraketen aufgestellt. Diese Abwehrraketen – so wird jetzt in Tokio erklärt – würden nun in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und ein nordkoreanisches Geschoss sofort vom Himmel holen, wenn es sich japanischem Territorium auch nur nähert.
Alle Anzeichen sprechen jedoch dafür, dass Diktator Kim solche Warnungen ignoriert. Nicht nur Experten der Korea-Abteilung des amerikanischen Johns-Hopkins-Instituts beobachteten Hinweise auf einen bevorstehenden Start. Nach japanischen Quellen hat Pjöngjang in den vergangenen Monaten unterirdische Eisenbahngleise und mobile Abschussanlagen installiert, um den geheimen Raketenstart so lang wie möglich zu tarnen.
Ein letzter Vermittlungsversuch
China entsandte am Dienstag seinen Chefunterhändler im Atomstreit mit Nordkorea, Wu Dawei, nach Pjöngjang. Offenbar handelt es sich dabei um einen letzten Versuch, den Verbündeten zur Vernunft zu bringen und an den Verhandlungstisch zurückzuführen.
Die Chancen stehen aber eher schlecht. Seit dem Test einer vorgeblichen Wasserstoffbombe in der ersten Jännerwoche treibt Kim sein Bedrohungskonzept weiter voran. Es wird befürchtet, dass Nordkorea schon sehr bald in der Lage ist, Atomsprengköpfe zu bauen, die so klein sind, dass sie mit Raketen auf Ziele in der Region abgefeuert werden können.
AUF EINEN BLICK
Nordkorea hat für den Zeitraum vom 8. bis zum 25. Februar einen Satellitenstart ins All angemeldet. Doch seine Nachbarn vermuten dahinter einen getarnten Langstreckenraketentest. Südkorea sieht gar eine „Bedrohung für den Frieden in der Welt“. Japan bringt angesichts des bevorstehenden Raketenabschusses Luftabwehrbatterien in Stellung. Und China startet einen letzten Vermittlungsversuch in Pjöngjang.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2016)