Tisa: Der „böse“ Bruder von TTIP?

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Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ist längst der breiten Öffentlichkeit bekannt. Anders steht es um das Dienstleistungsabkommen Tisa. Es ist umfangreicher als TTIP – und ähnlicher Kritik ausgesetzt.

Straßburg. Das EU-Parlament hat am Mittwoch über seine Empfehlungen für das geplante internationale Dienstleistungshandelsabkommen Tisa abgestimmt. 532 der 750 EU-Abgeordneten haben für ein Paket an Änderungswünschen votiert – verlangt wird unter anderem, dass öffentliche Dienstleistungen wie Wasserversorgung, Bildung und Abfallwirtschaft vom Abkommen ausgeklammert werden. Außerdem fordern sie den Schutz von Arbeits-, Sozial- und Umweltnormen. „Eine Verwässerung der EU-Standards wird es nicht geben“, sagt die Tisa-Berichterstatterin des EU-Parlaments, Viviane Reding (EVP). Das Abkommen solle die Dienstleistungsstandards der EU „in die Welt exportieren“.

Übergeordnetes Ziel des Tisa-Abkommens ist die Liberalisierung von Dienstleistungen. Märkte sollen geöffnet und Regelungen in Bereichen wie Lizensierung, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation, elektronischer Handel, Seeverkehr und grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität im Dienstleistungssektor verbessert werden. Formell verhandelt wird bereits seit März 2013, bisher fanden 16 Gesprächsrunden in Genf statt.

Tisa basiert auf dem Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Gats) der Welthandelsorganisation (WTO), das 1995 in Kraft getreten ist und an dem alle WTO-Mitglieder beteiligt sind. Auch Gats hatte die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Handels mit Dienstleistungen als Ziel. Ab 2000 wurde das Abkommen neu verhandelt, diese multilateralen WTO-Verhandlungen sind jedoch aufgrund unterschiedlicher Ansichten ins Stocken geraten. Im März 2013 haben schließlich neue, plurilaterale Verhandlungen begonnen.

Neben der EU sind noch die USA und 21 andere WTO-Mitgliedstaaten wie Japan, Mexiko und die Türkei beteiligt. Gemeinsam vereinen die verhandelnden Staaten etwa 70 Prozent des globalen Dienstleistungsmarkts. Mit einigen der beteiligten Länder (Taiwan, Israel, Pakistan, Türkei) hat die EU bisher kein Freihandelsabkommen über Dienstleistungen abgeschlossen. „Auch China soll an den Verhandlungen teilnehmen“, fordert Reding. Je mehr Länder die europäischen Dienstleistungsstandards einführen, desto mehr würde die EU davon profitieren.

Mangelnde Transparenz

Genau wie bei TTIP – dem transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA – wird bei Tisa aber die mangelnde Transparenz kritisiert: „Solche Handelsabkommen halten dem öffentlichen Druck nicht stand. Deshalb werden die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt“, sagt Alexandra Strickner, Obfrau von Attac. Auch Tisa-Berichterstatterin Reding fordert nach der Abstimmung über die Resolution mehr Transparenz: „Bisher können nur Abgeordnete die Verhandlungstexte einsehen, die in bestimmten Ausschüssen sind. In Zukunft müssen alle Abgeordneten Zugang haben.“

Ähnlich wie bei TTIP buhlt das EU-Parlament um Einfluss bei den Verhandlungen: „Die Resolution wird als Zeichen an die Europäische Kommission gesehen, den Zugang zu den Tisa-Verhandlungen radikal zu verändern“, sagt SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz. Der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas (ÖVP) sieht in dem Beschluss „ein starkes politisches Signal, dass das EU-Parlament Tisa nur unter präzisen Bedingungen zustimmen wird“. Karas mahnte, die EU sollte die Globalisierung nicht nur hinnehmen, sondern eine Vorreiterrolle bei Rechts-, Sozial-, Umwelt- und Sicherheitsstandards übernehmen.

Die Kommission geht davon aus, dass das Abkommen bis Ende des Jahres beschlossen wird. Sollte die Kommission die parlamentarischen Forderungen nicht beachten, werde das Parlament über eine neue Resolution abstimmen, meinte Viviane Reding. (jp/lk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2016)

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