EU-Grenzschutz: Wien forciert Allianz mit Balkanstaaten

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Da Griechenland die Außengrenze mangelhaft sichert, sollen Serbien und Mazedonien mit EU-Hilfe den Erhalt des Schengen-Raums gewährleisten. Doch auch Athen gelobt Besserung: Das Militär soll für Ordnung sorgen.

Wien/Athen/Amsterdam. „Reduzieren, drosseln, vielleicht sogar stoppen.“ Sebastian Kurz (ÖVP) setzt große Hoffnungen auf die Länder der Balkanroute, das erklärte Ziel einer Eindämmung des Flüchtlingszustroms mit größerem Ehrgeiz zu verfolgen als das glücklose Griechenland. Solange der Außengrenzschutz in der Ägäis nicht funktioniere, so der Tenor des Außenministers, müsse man eben mit anderen Ländern kooperieren, um die Sicherheit des Schengen-Raums wieder zu gewährleisten. Bilaterale oder europäische Kooperationen mit Serbien und Mazedonien seien möglich. In der kommenden Woche besucht Kurz die Balkanstaaten und wird das Thema dort zur Sprache bringen.

Auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der wie Kurz gestern, Freitag, mit EU-Amtskollegen in Amsterdam zusammengetroffen ist, will eine stärkere Grenzsicherung auf der Balkanroute vorantreiben. Die zentraleuropäische Verteidigungskooperation (CEDC), eine informellen Plattform, der neben Österreich Kroatien, Slowenien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei angehören, soll sich bei ihrem nächsten, vorgezogenen Treffen im März der Causa widmen; auch Vertreter aus Belgrad und Skopje werden erwartet. Ziel ist laut Doskozil eine zivilmilitärische Mission zum Grenzschutz und zur Errichtung von Hotspots.

Hilfe für Griechenland

Doch auch Griechenland, dem durch die Pläne ein faktischer Schengen-Ausschluss droht, gelobt Besserung. Der durch die Flüchtlingskrise und das von den Gläubigern oktroyierte Sparprogramm stark in Bedrängnis geratene Premier, Alexis Tsipras, hatte am gestrigen Freitag zwei wichtige Gäste in Athen zu Besuch: die Innenminister Frankreichs und Deutschlands, Bernard Cazeneuve und Thomas de Maizière, die sich sich selbst ein Bild von der Lage der Flüchtlinge in Griechenland machen wollten.

Ihre Botschaft: Das Mittelmeerland muss die Verpflichtungen, die es mit der Einrichtung von fünf Hotspots und zwei Auffanglagern übernommen hat, endlich erfüllen. Dann würden die anderen Länder helfen. Die EU-Minister kamen nicht mit leeren Händen: Frankreich will 60 Beamte schicken, Deutschland 100, dazu zwei deutsche Boote zur Stärkung der EU-Grenzagentur Frontex. Die griechische Küstenwache kann jedes Boot gebrauchen – seit Anfang 2015 hatte sie mehr als 3000 Einsätze und rettete 113.000 Menschen in Seenot. Die deutschen und französischen Beamten wiederum sollen bei den Registrierungsverfahren helfen. Das Interesse der Minister konzentrierte sich hier vor allem auf das Aufspüren von gefälschten Pässen, nicht zuletzt um das Einsickern von Terroristen zu verhindern.

EU stellt Rute ins Fenster

Die versprochenen Flüchtlingszentren, die Griechenland bis Ende des Jahres bauen wollte, sollen nun im Eiltempo bis zum 15. Februar fertiggestellt werden – also noch vor dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, der am 18. Februar beginnt. Diese plötzliche Hektik hat wohl mit dem jüngsten Bericht der EU-Kommission über die Umsetzung des Schengener Abkommens zu tun, in dem Griechenland wegen seiner mangelnden Melde- und Kontrollleistungen die Rute ins Fenster gestellt wird.

So hat man sich dazu entschlossen, das griechische Militär massiv bei der Koordination der Hilfe zu beteiligen. Die Gebäudeinfrastruktur ist überwiegend militärisch – so auch die beiden Kasernen in Schisto in Attika und in Sindos bei Thessaloniki in Nordgriechenland, wo die zwei Auffanglager eingerichtet werden.

Wie Verteidigungsminister Panos Kammenos dieser Tage erklärt hat, wird das Militär für die Bestückung der Lager mit „polartauglichen Zelten“ sorgen.
Auch ein zentraler Koordinierungsausschuss wird geschaffen, an dem der Chef des griechischen Generalstabs teilnimmt. Sämtliche Aktionen der verschiedenen Behörden sollen vom Einsatzzentrum des Verteidigungsministeriums aus gesteuert werden. Es werden militärische Sektorenleiter eingesetzt, die auf den Inseln für Ordnung sorgen sollen. Das Militär wird im Notfall – etwa bei Matrosenstreiks wie zuletzt – für den Transport der Flüchtlinge von den Inseln, aber auch für die hygienischen Einrichtungen zuständig sein.

Bürger blockieren Piste

Man darf nicht vergessen, dass seit einigen Jahren keine Migranten gemäß dem Dublin-III-Abkommen aus anderen EU-Ländern nach Griechenland zurückgeschoben werden können, weil im Mittelmeerland keine menschenwürdige Betreuung gewährleistet ist – ganz unabhängig von der Flüchtlingswelle des vergangenen Jahres.

Dass die Fertigstellung der Lager nicht ganz so einfach ist, wie er sich das vorstellt, musste Verteidigungsminister Kammenos am Donnerstag auf Chios erkennen – sein Hubschrauber konnte nicht wie vorgesehen landen, weil wütende Bürger die Landepiste blockiert haben.

Am Freitag gab es dann Verletzte auf der Insel: Eine Handvoll Demonstranten, die den Bau des lokalen Hotspots verhindern wollten, geriet sich mit der Einsatzpolizei in die Haare, die Schlagstöcke einsetzte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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