Die Europäische Zentralbank prüft die Abschaffung des violetten 500-Euro-Scheins. Aus Österreich und Deutschland kommt heftiger Widerstand.
Wien/Frankfurt. Bisher war es nur eine Debatte, aber jetzt wird die Sache ernst: Die Europäische Zentralbank überlegt, den violetten 500-Euro-Schein abzuschaffen. Es seien technische Arbeiten im Gange, sagte EZB-Chef Mario Draghi vor dem Europäischen Parlament. Und weiter: „Es gibt da noch Fragen, wie man eine Entscheidung am besten durchsetzt und wie man das kommuniziert.“ Diese Aussagen stammen aus einer Rede des EZB-Präsidenten, die der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zugespielt wurde.
Die Oesterreichische Nationalbank hat auf Anfrage der „Presse“ bestätigt, dass innerhalb der EZB eine Debatte über die Abschaffung des 500-Euro-Scheins läuft. Damit wäre Draghis Frage nach der Kommunikation geklärt – nicht aber jene nach der Durchsetzung dieser höchst kontroversiellen Entscheidung.
Der Vorstoß des italienischen EZB-Chefs kommt im Zuge einer großen Debatte zur Abschaffung des Bargelds, die bisher nur akademisch geführt wurde. Vergangene Woche ging es dann Schlag auf Schlag. Zuerst wurden Überlegungen der deutschen Regierung publik, eine Obergrenze von Barzahlungen in der Höhe von 5000 Euro einzuführen. Und jetzt wollen manche in der EZB dem 500-Euro-Schein den Garaus machen. Die Begründungen im Kampf gegen das Bargeld sind immer dieselben: Die Jagd auf Terroristen, Kriminelle und Steuerhinterzieher soll vereinfacht werden.
Die Gegner des Plans befürchten einen Orwell'schen Überwachungsstaat, in dem der Staat über jeden Einkauf der Bürger Bescheid weiß – und sei er noch so klein. Die Abschaffung des größten Geldscheins oder eine Obergrenze für Barzahlungen seien nur die ersten Schritte, die „strikt abzulehnen“ seien, sagt ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer: „Am Ende geht es um extreme Freiheitseinschränkungen, um totale Überwachung.“
Mahrer ließ bereits vergangenes Jahr ein „Bekenntnis zum Bargeld“ in das Programm seiner Partei schreiben. „Es ist nicht in Ordnung, dass die Sparguthaben der Bürger kontrolliert werden“, so Mahrer am Freitag im Gespräch mit der „Presse“. Er erwarte auch von Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass dieser sich im EU-Ministerrat „klar gegen diese Pläne stellt“.
Bargeld ist in Österreich beliebt
Anders als sein Kollege in Berlin, Wolfgang Schäuble, hat sich Schelling noch nie in die Nähe einer Bargeldgrenze gewagt. Im Kampf gegen Steuerhinterziehung sei dies auch nicht notwendig, heißt es dazu aus dem Finanzministerium. Die zuletzt ergriffenen Maßnahmen (etwa das Bankenregister und das Kapitalabflussmeldegesetz) würden vollkommen ausreichen. Das ist auch die Position des Koalitionspartners SPÖ.
Ob ein Geldschein abgeschafft wird, ist aber Sache der EZB. Tatsächlich reicht eine einfache Mehrheit im EZB-Rat, um den 500-Euro-Schein verschwinden zu lassen. Laut Nationalbank sei mit einer Entscheidung binnen Wochen zu rechnen – aber auch mit heftigem Widerstand aus Wien und von der Deutschen Bundesbank in Frankfurt. „Wir sehen das sehr, sehr skeptisch“, sagt OeNB-Direktor Kurt Pribil zur „Presse“. „Wir wollen den 500-Euro-Schein bewahren.“
Innerhalb des EZB-Rats sind Nationalbank-Chef Ewald Nowotny und Bundesbank-Chef Jens Weidmann, der sich ebenfalls gegen Einschränkungen des Bargeldverkehrs in der Eurozone ausspricht, allerdings bisher in der Minderheit. Dem Vernehmen nach stehen vor allem Spanien, Italien und Frankreich hinter der Initiative gegen den 500-Euro-Schein. In Österreich ist Bargeld bis heute extrem beliebt. Laut OeNB werden mehr als drei Viertel aller Transaktionen in Cash abgewickelt. Ganze 92 Prozent der Österreicher halten Bargeld für „einfacher und praktischer“ als alle anderen Zahlungsmethoden.
30 Prozent der Österreicher und 52 Prozent der über 60-Jährigen zahlen sogar alle ihre Einkäufe mit Scheinen und Münzen – egal, wie hoch der Betrag ist. Vor diesem Hintergrund gelte es, „den Wettbewerb der Zahlungsinstrumente zu erhalten, statt den Bargeldverkehr einzuschränken“, so Pribil.
Weitere Infos: www.diepresse.com/bargeld
Auf einen Blick
Rund 300 Mrd. Euro sind in Form von 500-Euro-Scheinen im Umlauf. Nur der 50-Euro-Schein ist beliebter. Aber die EZB hegt Pläne, den 500er abzuschaffen. Das bestätigte EZB-Chef Mario Draghi. Österreich und Deutschland werden allerdings Widerstand leisten. Weder die Bundesbank noch die Oesterreichische Nationalbank kann der Idee, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, etwas abgewinnen. In Österreich ist – anders als in Deutschland – auch eine Obergrenze für Bargeldzahlungen kein Thema. Drei Viertel aller Transaktionen werden in Österreich mit Bargeld getätigt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)