Die Eindämmung des IS

Warum mit Zurückhaltung eher als mit einer Militärintervention die Macht des Islamischen Staates zu zügeln wäre.

Im Kalten Krieg war die amerikanische Außenpolitik geprägt von der Eindämmung („Containment“) des sowjetischen Einflusses jenseits des Eisernen Vorhangs. Hauptargument von George Kennan, des Architekten dieser Politik, war er, dass die UdSSR die Saat des Untergangs in sich selbst trage. Sowjetische Macht war das Produkt der Ideologie ihrer Führer und der äußeren Umstände.

Das trifft auch auf den Islamischen Staat (IS) zu: Er ist das Produkt von Islamismus und der Ideologie, die seine Anführer von ihren politischen Ursprüngen – al-Qaida und Baath Partei – mitgenommen haben. Er ist aber auch das Produkt von politischer und militärischer Machtverteilung in der Region.

Die inneren Widersprüchlichkeiten – religiöser Fanatismus sowie nüchternes politisches Kalkül der Eliten des früheren irakischen Regimes – ermöglichen es, den IS einzudämmen. Kennan erkannte, dass keine mystische, messianische Bewegung einer unbegrenzten Frustration standhalten kann. Die äußere, militärische, Eindämmung der territorialen Expansion und die inneren Widersprüche der gesellschaftlichen und sektiererischen Ideologie des IS sind es, die den IS ins Taumeln bringen.

Je mehr der IS zum Staat wird und sich in die Niederungen des politischen Alltags eines Staates begibt, desto mehr wird er an Legitimität einbüßen. Je ähnlicher das „Kalifat“ dem wird, was es verabscheut, desto größer werden die internen Rivalitäten.

IS forciert die Polarisierung

Das bedeutet nicht, dass der IS nichts mit Religion zu tun hat, im Gegenteil. Aber wie jede Religion muss sie unter lokal vorherrschenden politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen interpretiert werden. Dazu ist ein liberal westliches Gegennarrativ nicht hilfreich. Vielmehr sind es Akteure wie Saudiarabien, die – aufgrund einer ähnlichen Interpretation von Religion oder ähnlicher geopolitischer Interessen in der Region – den IS beeinflussen könnten.

Für Kennan begann Containment bei Selbstbeschränkung. Politische Fehler liegen oft darin, aus Rache und Vergeltung militärisch zu intervenieren. Erfolgreiches Containment ist asymmetrisch, es lässt sich Zeitpunkt und Art der Handlung nicht diktieren.

Dazu gehört auch ein Überdenken des „Kriegs der Ideen“: Eine ideologische Alternative zum IS scheint nicht zu existieren – und zwanghaft eine zu entwickeln, spielt dem IS nur in die Hände. Dieser will keine Öffentlichkeit hinter sich wissen, sondern die Polarisierung vorantreiben.

Die Eindämmung einer Macht wie des IS erfordert Wille, Energie und die Überzeugungsarbeit westlicher Regierungen, darzulegen, warum Zurückhaltung letztlich effizienter sein wird als dem emotionalen Verlangen nach Aktion nachzugeben. Dadurch kann Containment Teil eines dritten Weges zwischen Isolation und Intervention werden. Da hatte Barack Obama in seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation recht: Der IS bedroht nicht die nationale Existenz der Nation.

Jodok Troy leitet ein FWF-Projekt am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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