Touchdown in der "Stadt der Engel"

A women looks at her phone as she walks past a Los Angeles Rams mannequin at the NFL Experience
A women looks at her phone as she walks past a Los Angeles Rams mannequin at the NFL ExperienceREUTERS
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Ende der Footballdürre in Los Angeles. Die Rams kehren aus St. Louis nach L.A. zurück.

Magic Johnson hat sich als einer der Ersten eine Saisonkarte gesichert. „Ich kann es kaum erwarten, unser Team in der nächsten Saison spielen zu sehen“, twitterte die Basketball-Legende der L.A. Lakers aus der goldenen Ära der 1980er-Jahre. Johnson ist Sportfan der Extraklasse und Miteigentümer der L.A. Dodgers, des Baseballteams der Hollywood-Metropole.

Die spektakuläre Entscheidung der St. Louis Rams, nach Los Angeles zu übersiedeln, ist erst wenige Wochen alt, doch sie hat nicht nur den früheren Basketballmagier elektrisiert, sondern Footballfans im Großraum Los Angeles mit 18 Millionen Einwohnern. „Die Footballdürre ist vorüber“, jubelte Eric Garcetti, der Bürgermeister von L.A., der sich schon für die Gouverneurswahlen in Kalifornien im Jahr 2018 warmläuft und sich auch deshalb für den Umzug der Rams eingesetzt hat.

Die neue NFL-Saison beginnt zwar erst in einem halben Jahr, der Run auf Dauerkarten für die Rams hat allerdings längst eingesetzt. Binnen 48 Stunden haben sich 45.000 Fans für ein Saisonticket beworben. Die Gerüchtebörse hat das Interesse zusätzlich befeuert. Die Spekulation, Peyton Manning, der bald 40-jährige Starquarterback der Denver Broncos, könnte zum Karriereende doch noch ein Jahr als Aufputz und Galionsfigur bei den Rams anhängen, macht einen Teil des Hypes um den Umzug der Rams von Missouri nach Kalifornien aus.


Gedränge an Sportteams. Nicht, dass in Los Angeles, Amerikas zweitgrößtem Sportmarkt nach New York, ein Mangel an Spitzenteams herrschen würde. Im Basketball (NBA) duellieren sich die Lakers um Altstar Kobe Bryant in seiner letzten Saison und die Clippers um die Vorherrschaft in der „Stadt der Engel“. Im NHL-Eishockey die Kings und Anaheim Ducks, im Baseball (MLB) die Dodgers und die Angels und nicht zuletzt im Fußball Galaxy und Los Angeles FC. Im College-Basketball locken die Uni-Teams UCLA und USC laufend 70.000 Fans ins Coliseum – jene Arena, in der 1932 und 1984 die Olympischen Spiele über die Bühne gingen.

Hier werden auch die Rams eine provisorische Heimstatt finden, ehe sie 2019 in einen drei Milliarden Dollar teuren, überdimensionalen Glaspalast in Inglewood samt Shoppingmall, Kinokomplex, Konzerthalle und Casino, in der Nähe des Flughafens, ziehen werden. NFL-Chef Roger Goodell verheißt nichts weniger als State of the Art, eine stilprägende Sportarena mit allen erdenklichen Gimmicks.

21 Jahre lang währte die Zeit der Dürre im Profi-Football in Los Angeles. „Der Tag, an dem Football in Los Angeles starb“ titelte „Sports Illustrated“ über den Weihnachtsabend 1994, als die Raiders im Coliseum und zur gleichen Zeit die Rams im nahen Anaheim Stadion innerhalb von nur fünf Minuten vom Feld gingen – und bis dato nicht wiederkehren sollten. Beide trugen damals ihre letzten Heimspiele in Los Angeles aus, bevor die Raiders nach Oakland und die Rams nach St. Louis übersiedelten.

Ursprünglich in Cleveland gegründet, hielten sich die Rams fast fünf Jahrzehnte in der kalifornischen Metropole, ehe sie in den Mittelwesten abwanderten. Die Raiders blieben nur zwölf Jahre, bevor sie wieder nach Oakland zurückkehrten. Die Chargers waren überhaupt nur ein Jahr in ihrer Gründungsphase in der Stadt. Dann zogen sie weiter in den Süden, nach San Diego.

Seit mehr als 20 Jahren ertönte immer wieder das Lamento aus Los Angeles über die NFL-freie Zone, und seither grassierten stets Spekulationen über die Rückkehr der Rams oder eines anderen NFL-Franchise-Teams. Noch jedes Mal platzte der schillernde Footballtraum indessen wie eine Seifenblase. Als 1996 die Seattle Seahawks mit dem Gedanken spielten, nach Südkalifornien zu wechseln, bewahrte Microsoft-Kogründer Paul Allen mit der Übernahme des Klubs die Stadt vor dem Verlust. Die Eigentümer benutzten die Drohung bisher meist als Druckmittel, um mehr Geld für neue Stadien oder mehr Subventionen herauszupressen. In der NFL ist die Lizenz für ein Team nämlich nicht an eine Stadt gebunden, sondern einzig und allein an den Besitzer.

Es ist eine Eigentümlichkeit des US-Sports, die oft genug verstörte Fans hinterlässt wie jetzt Mike Burris in St. Louis: „Die Rams waren ein Teil unseres Lebens. Es ist, als würden wir einen Verwandten verlieren.“ Manchen kommt es so vor, als hätte man sie in den Mississippi gestoßen. Oft sorgen derlei abrupte Wechsel von einer Stadt in die andere für Unmut. Der fulminanteste in der Sportgeschichte war wohl die Übersiedlung der Dodgers, des populären Baseballteams aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn, 1957 an die Westküste – für ältere New Yorker ist das noch immer ein Trauma.


Milliardenbusiness. Als sich im Spätherbst die Gerüchte über einen Umzug von gleich drei Teams – den Rams, den Chargers und den Raiders – nach Los Angeles verdichteten, lizitierten die Eigentümer mit den Lokalpolitikern. Jay Nixon, der Gouverneur von Missouri, bot Rams-Besitzer Stanley Kroenke mehr als eine Milliarde Dollar für ein neues Stadion, damit das Team am Mississippi bleibt. Doch der Immobilienmagnat Kroenke, verheiratet mit einer Erbin des Walmart-Konzerns, nimmt eine Pönale von 650 Millionen Dollar für den Wechsel in Kauf, die im Lauf von 20 Jahren abzuzahlen ist.

30 der 32 Besitzer der NFL-Teams stimmten dem Deal im Jänner in Houston zu. „Das war die schwierigste Entscheidung, vor der ich je stand“, sagte Kroenke. 1995 hatte er mitgeholfen, die Rams aus Los Angeles wegzulocken. Fünf Jahre später holte er mit der Mannschaft die Super-Bowl-Trophäe nach St. Louis. Als Mäzen umjubelt, ist der 68-Jährige nun in Missouri nicht nur unter den Rams-Fans verhasst. Mit der Rückkehr nach L.A. verspricht sich der verschwiegene Multimilliardär einen weitaus größeren Profit als in St. Louis. Die NFL ist ein Milliardenbusiness, das weiter expandiert und inzwischen sogar plant, ein Team fix in London anzusiedeln. Heuer setzte die profitabelste Sportliga der Welt 13Milliarden Dollar um und warf einen Gewinn von einer Milliarde ab.

Enos Stanley Kroenke, benannt nach zwei Baseballikonen, kaufte sich nach und nach ein Sportimperium. „Silent Stan“ hält den Mehrheitsanteil am Londoner Fußballklub Arsenal, er erwarb unter anderem das Basketballteam Denver Nuggets, das Eishockeyteam Colorado Avalanche und die Fußballmannschaft Colorado Rapids. Womöglich bekommt er in L.A. jedoch schon bald Konkurrenz: Die Raiders haben für heuer zunächst abgewinkt, die Chargers noch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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