Fußball zwischen den Fronten des Kurdenkonflikts

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Drittligist Amedspor steht im Pokal-Viertelfinale der Türkei. Der Klub bekennt sich zur kurdischen Herkunft, der Verband ortet "ideologische Propaganda".

Der Drittligist Amedspor schreibt mit sportlichen Erfolgen Geschichte. Da sich der Club zu seiner kurdischen Herkunft bekennt, gerät er aber auch zwischen die Fronten des Kurdenkonflikts. Vom türkischen Fußballverband fühlt man sich ungerecht behandelt. Am Dienstag rang er dem Spitzenclub Fenerbahce Istanbul im Hinspiel des Cup-Viertelfinales ein 3:3 ab - und sorgte einmal mehr für Aufsehen.

Als Schiedsrichter Ilker Meral das Hinspiel zwischen Amed SK und Fenerbahce anpfiff, spielte zunächst nur eine Mannschaft. Während die Fenerbahce-Profis den Ball bereits hin- und her passten, drehten sich alle Spieler der Heimmannschaft zur Pressetribüne und blieben für etwa 30 Sekunden stehen.

Es war ein stummer Protest gegen Disziplinarmaßnahmen, die der nationale Fußballverband TFF vor der Partie ausgesprochen hatte und die der Verein in einer Presseerklärung als "ungerecht, parteiisch und gefühllos" bezeichnete. Amed SK - in der Türkei auch als Amedspor bekannt - erreichte als erster Drittligist überhaupt das Cup-Viertelfinale. Beim Duell mit Fenerbahce musste die Mannschaft auf die Unterstützung der Fans verzichten, da der Verein vom Verband mit einer Platzsperre und einer Geldstrafe belegt worden war.

Rekordstrafe

Begründet wurde dies mit "ideologischer Propaganda". Bei vorherigen Spielen Amedspors hatten die Zuschauer unter anderem folgende Slogans gerufen: "Überall ist Widerstand" und "Kinder sollen nicht sterben, sondern zum Spiel kommen". Zudem wurde Leistungsträger Deniz Naki der Propaganda bezichtigt und für 12 Pflichtspiele gesperrt.

Er hatte das Erreichen des Viertelfinales im Internet jenen gewidmet, "die bei den Grausamkeiten, die seit über 50 Tagen auf unserem Boden stattfinden, getötet oder verletzt wurden". Die Strafe für Naki ist Rekord im türkischen Fußball, so lange wurde noch kein Profi gesperrt. Zum Vergleich: Der ehemalige türkische Nationalspieler Emre Belözoglu, der seinen Gegenspieler Didier Zokora im Jahr 2012 rassistisch beleidigt hatte, wurde für nur zwei Spiele gesperrt.

Durch seine Erfolge und seine kurdische Identität ist Amedspor zwischen gesellschaftliche und politische Fronten geraten. Seit Dezember geht die türkische Armee im Südosten des Landes gegen die PKK vor. Gefechte, Verletzte und Tote sind vor allem in Städten wie Cizre, Silopi und Diyarbakir an der Tagesordnung.

"Zu 80 Prozent aus Kurden"

Der Drittligist ist in Diyarbakir beheimatet und definiert sich über seine kurdische Herkunft. "Amed" ist der kurdische Begriff für Diyarbakir. Im vergangenen Jahr erklärte der damalige Präsident Ihsan Avci: "Amedspor ist eine Mannschaft Kurdistans, unsere Mannschaft besteht zu 80 Prozent aus Kurden. Wir haben kurdische Spieler aus allen Ligen dazu aufgerufen, sich uns anzuschließen."

Seinen Anhängern dient der Verein als Identifikationssymbol und Hoffnungsschimmer in schweren Zeiten, bei Auswärtspartien kommt es dagegen oft zu Anfeindungen. Vereinspräsident Ali Karakas berichtete in einem Interview mit "CNN Turk", dass die Mannschaft immer wieder "rassistischen Beleidigungen" ausgesetzt sei. Er beklagte, dass der Verband dagegen noch "keinerlei Maßnahmen" vorgenommen habe.

Applaus nach Foulspiel

Als Amedspor im Cup-Achtelfinale beim Erstligisten Bursaspor zu Gast war, gab es für Fouls gegen Amedspor-Akteure, die Gelbe Karten nach sich zogen, lauten Applaus. Zudem wurden Anhänger des Drittligisten wegen angeblicher Sicherheitsbedenken nicht ins Stadion gelassen. Am Ende gewann der Außenseiter trotzdem mit 2:1.

Vor dem 3:3 am Dienstag gegen Fenerbahce setzte der Club ein weiteres Statement. Beim Einlaufen trug die Elf ein Banner, auf dem erneut der Slogan "Kinder sollen nicht sterben, sondern zum Spiel kommen" zu lesen war. Nun droht eine weitere Bestrafung durch den Verband. Das Rückspiel in Istanbul steigt am 2. März.

(APA/dpa)

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