Flüchtlingskrise: "Mazedonien muss Zustrom stoppen"

Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, traf in Skopje seinen mazedonischen Kollegen Poposki.
Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, traf in Skopje seinen mazedonischen Kollegen Poposki.(c) APA/AFP/ROBERT ATANASOVSKI
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Außenminister Sebastian Kurz stellt in Mazedonien klar, dass die Migrantenobergrenze Folgen für den Balkan haben werde. Skopje müsse sich auf harte Maßnahmen vorbereiten.

Hinter dem weißen Gittertor stehen zwei junge Männer, winken und fragen nach Zigaretten. Sie gehören zu rund 20 Personen, die von den mazedonischen Behörden hier in Gazi Baba festgehalten werden. Ursprünglich war der Komplex ein Kindergarten. Jetzt dienen die weißen Häuser auf einem Hügel etwas außerhalb der mazedonischen Hauptstadt Skopje als Anhaltezentrum für Flüchtlinge.

Noch vor einigen Monaten war das Zentrum, das auf bis zu 150 Menschen ausgelegt ist, überfüllt. Ganze Familien waren hier, unter teils prekären hygienischen Umständen. Mittlerweile hat man Frauen und Kinder woanders untergebracht. Nur noch wenige Männer sind im Anhaltezentrum – Personen, deren Identität noch überprüft werden müsse, oder Zeugen, die gegen Schlepper aussagen sollen, wie ein Vertreter der mazedonischen Polizei berichtet.

„Erst heute Morgen haben wir einen bulgarischen Lkw mit einem griechischen Fahrer aufgehalten. In dem Lkw waren 40 Menschen versteckt“, erzählt er. „Die Flüchtlinge mussten für den Transport 3000 Euro pro Person bezahlen.“ 2015 seien es nur 500 Euro gewesen. Seit Mazedonien nur mehr Flüchtlinge aus den Herkunftsländern Syrien, Irak und Afghanistan einreisen lässt, hat sich der Preis für Schlepperdienste vervielfacht.

10.000 in einer Woche

Mazedonien ist ein wichtiger Transitstaat für Flüchtlinge, die von Griechenland aus in Richtung Österreich oder Deutschland zu gelangen versuchen. Laut UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR sind allein von 29. Jänner bis 4. Februar fast 10.000 Flüchtlinge in Mazedonien angekommen. Dabei handelt es sich nur um jene, die sich registrieren ließen. Die Flüchtlinge aus den drei „akzeptierten“ Nationen Syrien, Irak und Afghanistan haben 72 Stunden Zeit, um einen Asylantrag zu stellen oder das Land zu verlassen. Die meisten ziehen weiter Richtung Norden.

Dieser Weg könnte aber bald schwieriger zu passieren sein als bisher: „Ich habe die mazedonische Seite davon informiert, dass Österreich eine Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen beschließen musste“, sagte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz am Freitag bei einer Pressekonferenz mit Mazedoniens Außenminister Nikola Poposki in Skopje. „Die Obergrenze wird in den nächsten Wochen oder Monaten erreicht werden. Dann wird es nötig werden, Flüchtlinge gänzlich an Österreichs Grenze zu stoppen.“

Sollte das eintreten, würde damit ein Dominoeffekt Richtung Balkanstaaten ausgelöst. Kroatien und Serbien würden wohl ebenfalls kaum mehr Flüchtlinge durchlassen, und die Menschen würden in Mazedonien hängenbleiben. „Österreichs Maßnahmen werden Auswirkungen auf die Länder der gesamten Region haben“, sagte Kurz. Deshalb sei man mit den Ländern der Balkanroute und Mazedonien übereingekommen, in der Frage zusammenarbeiten zu müssen, so der Außenminister. „Mazedonien muss darauf vorbereitet sein, den Zustrom völlig zu stoppen.“ Kurz bot Poposki Hilfe bei der Bewachung der mazedonisch-griechischen Grenze an. Österreich könne Material liefern und Polizisten und Soldaten zum Grenzschutz entsenden.

Bundesheer bietet 100 Mann an

Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sagte übrigens am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, dass das Heer 100 Soldaten für den Grenzschutz anbiete. Mazedoniens Präsident Gjorge Ivanov ist ebenfalls in München.

„Wir erhalten derzeit Migranten aus einem EU-Mitgliedstaat“, sagte Poposki und spielte damit auf Griechenland an. Künftig werde Mazedonien so viele Flüchtlinge ins Land lassen, „wie von anderen EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden“. Sprich: Mazedonien gibt Österreichs Obergrenze für Flüchtlinge in Richtung Griechenland weiter.

„Gehen die Grenzen hier zu, könnten Flüchtlinge eine andere Route suchen. Vielleicht über Albanien und Bulgarien“, sagt Mohammad Arif, Vertreter des UNHCR in Mazedonien. Grenzschutz sei Kompetenz der Staaten, trotzdem dürften Menschenrechte nicht verletzt werden. „Menschen, die an eine Grenze kommen und Asyl suchen, haben Rechte. Der Flüchtlingsstrom wird anhalten, solang es keine Lösung für die Probleme im Irak, in Syrien und Afghanistan gibt.“

Im Anhaltezentrum Gazi Baba hoffen die Insassen nach wie vor, rasch weiterreisen zu können. An einer Wand haben sich einige mit Namen und Herkunftsland verewigt. „Mina“ und „Iran“ steht dort. Oder „Filson“ und „Somalia“. Und in einer Ecke: „Don't stop. Just go!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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