Der Brandstifter als Löschmeister in Syrien

A man selling pastries walks past the rubble of damaged buildings in the rebel held al-Shaar neighborhood of Aleppo
A man selling pastries walks past the rubble of damaged buildings in the rebel held al-Shaar neighborhood of AleppoREUTERS
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Ohne Russland kann es keinen Frieden in Syrien geben. Putin hat sich mit seiner Militärintervention eine strategische Schlüsselrolle gesichert. Europa schaut zu und wartet auf Flüchtlinge.

Syrien liegt in 1000 Scherben. Es wird sich, wenn überhaupt, nicht mehr so schnell zusammenfügen lassen. Und die russische Luftwaffe hat zu diesem Zerstörungswerk mit Bombenteppichen rund um Aleppo zuletzt tatkräftig beigetragen. Dementsprechend hohl klangen die Warnungen vor einem Zerfall Syriens oder gar einem Dritten Weltkrieg, die der russische Premier Medwedjew bei der Münchner Sicherheitskonferenz aussprach. Die Welt brauche Zusammenarbeit, keine Konfrontation, dozierte Putins Biedermann für harmlose Auftritte auf der Weltbühne. Wie wahr!

Es hat etwas Befremdliches, wenn Brandstifter als Löschmeister in Erscheinung treten. Doch ohne Russland, das steht fest, wird Syrien keinen Frieden finden. Spätestens seit seiner Militärintervention vergangenes Jahr hat sich Russlands Präsident Putin ins syrische Führerhaus gesetzt. Er diktiert mit seiner Doppelstrategie das Tempo, schießt Assads Truppen unter dem Vorwand, Terrorgruppen zu bombardieren, den Weg gegen relativ gemäßigte Rebellen, wie die Freie Syrische Armee, frei, während sein Chefdiplomat, Sergej Lawrow, Aktionspläne für ein Ende des Bürgerkriegs aushandelt.

Was Russland in Syrien wirklich will, bleibt unklar. Im günstigsten Fall möchte es seine strategischen Interessen absichern und seinem Schützling Assad zu einer besseren Verhandlungsposition verhelfen, womöglich durch die Einnahme des strategisch wichtigen Aleppo. Ein Rezept für eine endlose Verlängerung des Desasters wäre es indes, wenn eine Rückeroberung des gesamten Territoriums auf der Agenda stünde, wie dies Syriens Präsident Assad jüngst durchblicken ließ. Nach fast 300.000 Toten werden die Rebellen und deren Unterstützer das Feld nicht freiwillig räumen. Im Gegenteil, derzeit denken die Türkei und Saudiarabien darüber nach, Bodentruppen im Kampf gegen den IS zu entsenden. Sollten sie auf Assads Armee, Irans Revolutionsgarden oder Russlands Soldaten stoßen, wäre das Chaos perfekt. Umso wesentlicher ist es in dieser brisanten Konstellation, dass die beiden Supermächte Russland und USA ihre Luftangriffe und Diplomatie in Syrien aufeinander abstimmen. Nach jetzigem Stand kann den Bürgerkrieg in Syrien keine Seite gewinnen. Eine Verhandlungslösung wäre also die vernünftigste Option. Doch man muss realistisch bleiben: Die Waffenruhe, die der Münchner Vereinbarung gemäß kommende Woche eintreten soll, ist äußerst schwer durchzuführen und noch schwerer aufrechtzuerhalten. Alle 70 Akteure dieses unübersichtlichen Bürgerkriegs werden sich kaum daran halten.

Es liegt an Russland, den ersten Schritt zu setzen, die Luftangriffe auf gemäßigte Rebellen zu stoppen, Assads Armee Einhalt zu gebieten und so Raum für eine humanitäre Versorgung der belagerten Zivilbevölkerung zu schaffen. Nur dann wird sich die Opposition mit dem syrischen Regime an einen Verhandlungstisch setzen. Nur dann besteht eine leise Hoffnung auf Frieden. Und nur dann werden sich nicht weitere Hunderttausende Flüchtlinge nach Europa aufmachen.

Die EU hat ein unmittelbares Interesse an einem raschen Ende des Bürgerkriegs. Doch ihr ist, anders als Russland, lediglich eine Zuschauerrolle vorbehalten.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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