CDU-Politiker fordern einen Auschluss Griechenlands aus Schengen. Zäune an Mazedoniens Grenze vergifteten die europäische Debatte, meint hingegen Wirtschaftsminister Gabriel.
Am Montag treffen in Prag die Ministerpräsidenten der vier Visegrad-Staaten (V4), Tschechien, Polen, Slowakei und Ungarn, zusammen, um vor dem Brüsseler EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag ihre einheitliche Position zur Flüchtlingskrise abzustimmen. Da Griechenland seinen Verpflichtungen zum Schutz der EU-Außengrenze nicht nachkomme, fordern sie eine "Verteidigungslinie" für den Schutz Europas an der griechisch-mazedonischen Grenze. Damit wäre die Balkanroute für Flüchtlinge praktisch abgeriegelt - und Griechenland ausgegrenzt.
Genau davor warnte der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Der Ausschluss oder die Ausgrenzung eines Mitgliedsstaates aus dem Schengenraum seien Scheinlösungen, "die die europäische Debatte vergiften". Eine solche Ausgrenzung Griechenlands drohe aber, wenn "Ideen der Konservativen" verwirklicht würden und an der Grenze zu Mazedonien Zäune gebaut würden. "Man kann nicht einfach Europas Außengrenzen neu definieren und das noch über den Kopf betroffener Staaten hinweg", schreibt Gabriel. Vielmehr gehe es um "lückenlose Registrierung, ausreichende Unterbringungskapazitäten und geordnete Verteilung" der Flüchtlinge.
Ähnlich sieht das sein Parteikollege, Außenminiser Frank-Walter Steinmeier. "Wir können nicht formell oder informell die Grenzen der Europäischen Union neu ziehen", sagte Steinmeier am Montag beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. Vermeintliche "Einfachstlösungen" führten nicht weiter.
Forderungen an Griechenland "fast schon zynisch"
Gabriel ruft in seinem Beitrag anlässlich der Flüchtlingskrise zu einem Lastenausgleich in der EU auf. Für eine "Erneuerung des europäischen Einigungsgedankens" sei es nötig, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in vielen EU-Mitgliedsstaaten mit einer gemeinsamen Asyl- und Flüchtlingspolitik zu verbinden. Deutschland könne nicht erwarten, dass ihm bei der Verteilung der Flüchtlinge geholfen werde, wenn es nicht bereit sei, mehr als bisher in Wachstum und Beschäftigung in Europa zu investieren.
Gerade deswegen müsse man Griechenland auch in der Schuldenkrise entgegenkommen. Gabriel forderterte in seinem Artikel Schuldenerleichterungen für Athen ein, wenn es den Reformkurs fortsetze. Griechenland drohe sonst angesichts sozialer Unruhen die Unregierbarkeit. "Angesichts dieser Lage wirkt die wöchentliche Mahnung der Europäischen Union, Griechenland möge doch mehr für die Sicherung der EU-Außengrenzen tun, fast schon zynisch", schreibt Gabriel.
CDU für Auschluss Griechenlands aus Schengen
Anders sieht das der Wirtschaftsflügel der CDU: "Sollte es erneut keine europäische Einigung in der Flüchtlingsfrage geben, müsste Griechenland aus dem Schengen-Raum ausgeschlossen werden", sagte Wolfgang Steiger, der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, der Tageszeitung "Die Welt". Zur Begründung führte er an, dass für Deutschland die Kosten zeitweiliger Grenzschließungen geringer seien als bei einer Fortsetzung der derzeitigen Politik der offenen Tür.
"Die Grundvoraussetzung für überall offene Grenzen innerhalb Europas sind im Moment nicht mehr gegenüber allen Mitgliedern gewährleistet", sagte Steiger.
Weil Griechenland seine Pflicht zur Sicherung der EU-Außengrenze vernachlässige, sei Schengen bereits schwer angeschlagen. "Die Zeit, bis sich Griechenland endlich an EU-Standards hält, haben wir nicht", sagte Steiger. "Wenn ein Land seine Pflichten nicht erfüllt, dann muss sich Schengen in Richtung Mitteleuropa bewegen."
Einzelne Grenzkontrollen weniger schädlich
Der Wirtschaftsrat warnt, dass es ohne eine rasche Lösung der Flüchtlingskrise bald keine grenzenlose Reisefreiheit mehr geben könnte. "Ein Zusammenbrechen des Schengen-Abkommens wäre für Deutschland besonders schädlich, zumal das Land 60 Prozent seines Außenhandels mit der EU abwickelt", sagte Steiger. Dagegen sei bei einer befristeten Einführung von Grenzkontrollen gegenüber Einzelmitgliedern der EU der volkswirtschaftliche Schaden geringer als oft behauptet.
Schließlich müsste Deutschland seine Grenzen nach West- und Nordeuropa ebenso wenig kontrollieren wie gegenüber den beiden wichtigsten EU-Partnern Frankreich und den Niederlanden. "In eine Gesamtbetrachtung der volkswirtschaftlichen Kosten müssen zudem auch die Folgekosten für die Integration sowie Sozialausgaben für nicht integrierbare Zuwanderer einbezogen werden", sagte Steiger.
(APA/Reuters/red.)