Siegfried Wolfs russische Mission

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In München suchte die russische Delegation den Dialog mit Deutschland. Dass der Ex-Magna-Chef den prominentesten Platz einnahm, nährt Spekulationen, er lobbyiere für Gazprom.

Wien. Fast wäre es unbemerkt geblieben. Ein unauffälliges Foto von der Münchner Sicherheitskonferenz vergangenes Wochenende. Ganz konkret vom Treffen der seit Langem höchstrangigen russischen Wirtschaftsdelegation unter der Leitung von Premierminister Dmitrij Medwedjew mit den Topvertretern der deutschen Wirtschaft. Alle waren gekommen, die in Russland und Deutschland auf Milliarden sitzen bzw. solche verwalten. Nicht nur mit am Tisch, sondern von allen russischen Wirtschaftsvertretern am nächsten bei Medwedjew positioniert, saß allerdings ein Österreicher: Siegfried Wolf.

„Nicht zufällig“

Was von der Öffentlichkeit wie gesagt fast unbemerkt geblieben wäre, hat unter Russland-Kennern ziemliches Erstaunen hervorgerufen. „Wir haben uns gewundert, dass Wolf nach dem russischen Botschafter und dem Chef der russischen Industriekammer den Platz des ersten Wirtschaftsvertreters zugewiesen bekam“, sagt ein hochrangiger Vertreter der deutschen Wirtschaft, der in München dabei war, im Gespräch mit der „Presse“: „Erst nach Wolf kamen der eigentlich ranghöhere Aufsichtsratspräsident von Gazprom, Viktor Zubkov, und Gazprom-Chef Alexej Miller. Das russische Protokoll macht so etwas nicht zufällig.“

Wolf ist in Russland Aufsichtsratspräsident der Holding Russian Machines, des Baukonzerns Glavstroy und der Autoherstellergruppe GAZ. Sie alle gehören dem Milliardär und Strabag-Großaktionär Oleg Deripaska, der den vormaligen Magna-Manager Wolf 2010 zu sich geholt hat. Offiziell war Wolf in München denn auch in Vertretung Deripaskas unterwegs. Was Beobachter jedoch irritiert, ist Wolfs Tischposition zwischen der Gazprom-Führung und Medwedjew. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass Russlands absolutes Hauptthema in Bezug auf Europa neben einer möglichen Lockerung der Sanktionen der Ausbau der Ostseegaspipeline Nord Stream (Nord Stream 2) nach Deutschland ist. Weil Teile innerhalb der EU gegen das Projekt opponieren, braucht Gazprom Lobbyisten.

Dass Wolf im Interesse Gazproms in Europa lobbyiert, wie aus deutschen Verfassungsschutzkreisen gegenüber der „Presse“ behauptet wird, ließ sich gestern nicht erhärten. Wolf selbst stellte gegenüber der „Presse“ klar, dass er nur als Vertreter von Russian Machines in München war, wo von Vertretern beider Länder ein klares Bekenntnis zum Dialog abgegeben worden sei. Was den prominenten Sitzplatz betreffe, so sei ihm das gar nicht bewusst gewesen: „Vielleicht war es nach dem Alphabet“, meinte Wolf. Bei Gazprom lehnte man einen Kommentar ab: Man wisse nicht, in welcher Funktion Wolf in München war, so ein Mitarbeiter des Pressedienstes.

Die in Branchenkreisen nach wie vor vermutete Nähe Wolfs zu Gazprom rührt aus der Zeit, als er Aufsichtsratspräsident der Staatsholding ÖIAG war, über die der Staat seine Anteile am Energiekonzern OMV hält. „Wolf hat die gesamte Russland-Connection der OMV eingefädelt“, so Grünen-Abgeordneter Peter Pilz: „Er hat immer russische Interessen vertreten.“

Orden der Freundschaft

Auf unternehmerischer Ebene ist dies etwa dadurch der Fall, dass er dem Aufsichtsrat der Sberbank Europe AG, der Europa-Tochter der größten russischen Bank, Sberbank, vorsitzt. Auf politischer Ebene wurde dies wiederum dadurch signalisiert, dass er Ende Jänner dieses Jahres gemäß einem Erlass von Kreml-Chef Wladimir Putin mit dem Orden der Freundschaft ausgezeichnet wurde. Dieselbe Ehre wurde nur zehn weiteren Personen zuteil, unter ihnen zwei Österreichern: AVL-Chef Helmut List und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Letzterer, auch Ko-Vorsitzender der Gemischten Russisch-Österreichischen Kommission, hat Anfang Februar in Moskau seine Unterstützung für Nord Stream 2 bekräftigt. An ihr wird auch die OMV mit zehn Prozent teilnehmen, was wiederum Teil eines Kooperationspakets ist, das der neue OMV-Chef, Rainer Seele, geplant hat und zu dem auch ein milliardenschwerer Tausch von Vermögenswerten (Asset Swap) gehört. An welchen OMV-Aktiva sich die Gazprom beteiligt, wird gerade verhandelt.

An der Nord Stream 2 werden sich neben der OMV auch die französische Engie und die britische Shell sowie die beiden deutschen Konzerne BASF und E.On beteiligen, die schon an Nord Stream 1 beteiligt sind. Gerade Deutschland und Österreich gelten daher als Hauptlobbyisten auch von Nord Stream 2. Das Projekt liege im Interesse der deutschen und der europäischen Wirtschaft, sagte Medwedjew in München. Warum Österreich ein derart starkes Interesse an Nord Stream 2 bekundet, obwohl es als Umschlagplatz für russisches Gas seine Bedeutung an Deutschland verliert, ist nicht ausführlich dargelegt worden. Heute will die EU ihr neues Paket zur Energiesicherheit vorstellen. Ob darin eine Vorentscheidung für Nord Stream 2 enthalten ist, blieb vorerst offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2016)

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