Deutschland: Die strenge Stimme aus der CDU

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Berlin Bundespressekonferenz Thema Vorstellungen einer Repr�sentativen Schulstudie dimap im Auf(c) imago/Metodi Popow (imago stock&people)
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Die CDU hat neue Vorschläge zur Integration vorgelegt. Besonders angriffig gibt sich dabei Vizechefin Julia Klöckner – sie will vor der Wahl in Rheinland-Pfalz im März Härte zeigen.

Berlin. Wenn es um ein härteres Vorgehen in der Flüchtlingsfrage geht, ist Julia Klöckner gern dabei. Die CDU-Vizechefin gibt innerhalb ihrer Partei die Rolle der Strengen. Sanktionen für Integrationsunwillige, zum Beispiel, regte sie am Montag in einem Zeitungsbeitrag an: „Wir dürfen die Integration so vieler Menschen nicht dem Zufall überlassen, sondern müssen sie begleiten und mangelnde Bereitschaft notfalls auch ahnden.“ Und sie stand auch in der ersten Reihe, um ein neues Integrationskonzept der CDU zu verteidigen. Dessen Entwurf sah unter anderem vor, dass der Mindestlohn für Asylberechtigte in den ersten sechs Monaten ausgesetzt werden soll.

Es ist nicht das erste Mal, dass Klöckner in der CDU derart aufzeigt. Zuletzt hatte sie Ende Jänner einen Plan präsentiert, mit dem die Zahl der Flüchtlinge auf nationaler Ebene reduziert werden sollte – etwa mit Grenzzentren und tagesaktuellen Kontingenten, wie viele Menschen über die Grenze kommen dürfen. Ein Vorschlag gegen die Linie ihrer Parteikollegin und Kanzlerin Angela Merkel, die ja vor allem auf europäische Lösungen setzt. Damit es nicht wirkt, als würde sie ihr in den Rücken fallen, verkaufte sie ihren Vorstoß als „Plan A2“ – weil Plan B ja bedeuten würde, dass Merkels Plan A gescheitert sei, so ihre Argumentation.

Kronprinzessin nach Merkel

Klöckners Vorgehen ist vor allem den Landtagswahlen am 13. März geschuldet. Als CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz könnte sie SPD-Ministerpräsidentin Maria Luise Dreyer ablösen und das Bundesland, das seit 1991 rot regiert ist, wieder schwarz färben. Vorausgesetzt, dass nicht zu viele potenzielle Wähler wegen Merkels Flüchtlingspolitik zur AfD abwandern. Jüngste Umfragen sehen die CDU mit etwa 37 Prozent vorn, die AfD bei knapp unter zehn Prozent.

Abgesehen davon wird Klöckner schon als Kronprinzessin für die Zeit nach Merkel gehandelt. Was ihr zwar schmeichelt, doch was sie zurückweist. Sie wolle Ministerpräsidentin werden. Und Merkels Zeit sei noch lange nicht vorbei. Tatsächlich bemüht sie sich regelmäßig, der Kanzlerin öffentlich die Stange zu halten. Indem sie etwa parteiinternen Merkel-Kritikern öffentlich ausrichtete, dass sie „mal die Klappe halten“ sollten. Auch deswegen, weil interne Debatten in den Landtagswahlkämpfen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt nicht wahnsinnig hilfreich seien.

Es ist ein Balanceakt, den Klöckner zwischen der Loyalität zur Kanzlerin bei inhaltlicher Gegenposition halten muss. Doch muss sie auch noch von anderer Seite Gegenwind einkalkulieren – denn Koalitionspartner SPD kann mit mancher Idee nicht viel anfangen. Beim am Montag präsentierten Vorschlag mit der Aussetzung des Mindestlohns kam jedenfalls ein kategorisches Nein. Vom „klassischen Dreisprung der SPD“ sprach Klöckner zunächst: „Erst wird ein Problem überhaupt nicht gesehen, dann werden Vorschläge der Union abgelehnt, und nach einer gewissen Schamfrist stimmt man dann doch zu.“ Noch dazu, da die SPD doch derselben Einschränkung auch schon bei Langzeitarbeitslosen zugestimmt hatte.

Doch am Nachmittag präsentierte der CDU-Parteivorstand doch ein entschärftes Papier, der Passus mit dem Mindestlohn ist nun nur für Praktika vorgesehen. Daneben gibt es aber strenge Vorgaben: Flüchtlinge sollen ihren Status nur erhalten, wenn sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung nachweisen, keine Straftaten begangen haben und ihren Lebensunterhalt sichern können.

Merkel: Keine Vertrauensfrage

Und Kanzlerin Merkel? Die zeigte sich von all den partei- und regierungsinternen Querelen derweil weitgehend unbeeindruckt. Sie erwäge trotz schlechter Umfragen nicht, „zu ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen“, verkündete Regierungssprecher Steffen Seibert Montagnachmittag. „Diese Frage stellt sich für sie nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2016)

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