Rapid gastiert im Sechzehntelfinal-Hinspiel beim kriselnden FC Valencia. Kenner Kurt Jara macht den Wienern im „Presse“-Gespräch Mut, er berichtet von spanischen Problemen.
Valencia/Wien. In den Bars und Cafés der Stadt wird heftig diskutiert. Die große Liebe der ansässigen Fußballfans, der FC Valencia, bereitet seit Monaten Sorgen. In der Primera Division nur auf Rang zwölf, im Cup-Halbfinale mit einem Gesamtscore von 1:8 gegen FC Barcelona untergegangen. Dazu in der Champions League im Vergleich mit St. Petersburg und Gent den Aufstieg verpasst. Der Trostbewerb heißt Europa League, der Gegner im Sechzehntelfinale am Donnerstag Rapid Wien (21.05 Uhr, live in Puls 4, Sky).
Kurt Jara ist ein Kenner des spanischen Fußballs. Von 1973 bis 1975 war der Tiroler in Valencia engagiert, noch heute pendelt er zwischen seinen Wohnsitzen in Innsbruck und Spanien. „Wenn ich von den Bergen genug habe, fahre ich ans Meer. Und wenn ich vom Meer genug habe, fahre ich in die Berge“, erzählt ein gut gelaunter Jara der „Presse“. Am Donnerstag zieht der 65-Jährige die Berge vor, der Skiurlaub mit der Familie ruft. Zumindest gedanklich wird Jara dennoch in Valencia sein, auch heute noch ist er oftmals Gast im Estadio Mestalla. Doch in dieser Spielzeit sah Jara von der Heimmannschaft nur selten ansehnlichen Fußball.
Drei Monate sieglos
Valencia strauchelt, dabei verfolgt die 282 Millionen Euro schwere Truppe hohe Ziele. Der Mindestanspruch ist es eigentlich, hinter Barcelona und den beiden madrilenischen Vereinen Real und Atlético die vierte Kraft Spaniens zu sein. Über drei Monate hatte der Klub zuletzt auf ein Erfolgserlebnis in der Meisterschaft gewartet, auf zwölf sieglose Spiele folgte am Wochenende ein erlösendes 2:1 gegen Espanyol Barcelona.
Dabei ist die individuelle Klasse der Mannschaft von Trainer Gary Neville unbestritten, „einige Spieler haben das Zeug, Partien im Alleingang zu entscheiden“. Jara denkt an die beiden Mittelfeldspieler André Gomes oder Danilo sowie die Stürmer Paco Alcácer und Alvaro Negredo – doch sie alle hinken den Erwartungen hinterher. „Diese Spieler bilden kein Team“, behauptet Jara. Es fehle der Mannschaft an einem Gerüst und der richtigen Mischung, Neville habe seine beste Elf auch nach zweieinhalb Monaten im Amt noch nicht gefunden. „Er stellt jede Woche anders auf, auch verletzungsbedingt.“
Dass Neville trotz verheerender Bilanz immer noch das Training in Valencia leitet, ist seinem guten Verhältnis zum singapurischen Geschäftsmann und Klubeigentümer Peter Lim geschuldet. Der 61-Jährige, dessen Vermögen von „Forbes“ auf knapp zwei Milliarden Euro geschätzt wird, sprach der früheren Manchester-United-Größe bis Saisonende sein Vertrauen aus. Spätestens dann dürfte Nevilles spanisches Abenteuer allerdings ein Ende finden, als möglicher Nachfolger wurde bereits der scheidende ManCity-Coach Manuel Pellegrini ins Spiel gebracht.
Nachdem national sämtliche Titelchancen passé sind und auf einen Europacup-Startplatz bereits acht Punkte fehlen, wird ein gutes Abschneiden in der Europa League für Valencia umso wichtiger.
„Das ist ihre letzte Chance“, weiß Jara, der im Duell mit Rapid ein offenes Spiel erwartet: „Die Chancen stehen 50:50.“ Die Hütteldorfer haben zuletzt mit einem klaren Derbysieg an Selbstvertrauen gewonnen, dabei unter anderem mit einer guten Organisation gepunktet. „Wenn sie erneut richtig organisiert sind und gut kontern, ist alles möglich.“ Nachsatz: „Valencia ist keine Mannschaft, die schnell von der Offensive auf die Defensive umschalten kann.“
Der Faktor Mestalla
Rapid dürfte es mit einem verunsicherten, aber unberechenbaren Gegner zu tun bekommen. Das mag auch mit der Heimstätte des FC Valencia zu tun haben. Das Mestalla versprüht alten Charme. Prasselt Lärm von den steilen Tribünen hinunter auf das Spielfeld, zeigen gegnerische Teams durchaus Wirkung. Jara, der viele Heimspiele dank Ehrenkarte auf dem Balkon des Mestallas verfolgt, weiß: „Wenn die Fans aus sich herauskommen, herrscht eine einzigartige Stimmung. Wenn es aber nicht läuft, kann es auch sehr, sehr ruhig werden.“ Ausverkauft wird das Mestalla nicht sein, gegen Espanyol kamen rund 35.000 Fans.
ZUR PERSON
Kurt Jara, von 1973 bis 1975 Spieler in Valencia, lebt in Innsbruck und Spanien. Die Primera Division verfolgt der 65-Jährige aufmerksam, bei Heimspielen des FC Valencia ist er oft zu Gast. Dem Fußballgeschäft kehrte er nach seinem Engagement in Salzburg 2006 den Rücken. „Ich genieße die Pension.“ [ APA ]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2016)