„Es kann nicht jeder alles zu jeder Zeit anbieten“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wissenschaftsminister Mitterlehner (ÖVP) über die Aufgaben der Fachhochschulen, fehlende Debatten über die Zukunft der Hochschulen, unerreichbare finanzielle Ziele und ÖVP-Querschüsse bei der Bildungsreform.

Die Presse: Künftig sollen die Angebote an den Hochschulen besser abgeglichen und gebündelt werden. Ihr erster Akt als Wissenschaftsminister war es, die Medizinfakultät Linz umzusetzen – dabei gibt es ja bereits drei Medizin-Unis: War das ein Fehler?

Reinhold Mitterlehner: Nein. Es gab ja schon vor meiner Amtszeit eine Entscheidung für die Fakultät. Eine gut entwickelte Medizinfakultät, die sich stark der Forschung widmet und die eine Anknüpfung an Unternehmen hat, hat Zukunftschancen. Insofern halte ich diese Entscheidung, die ich nicht getroffen, aber bestätigt habe, für richtig.

Die Regelung, dass drei Viertel der Medizinstudienplätze für Österreicher reserviert sind, läuft bald aus. Können Sie die EU überzeugen, sie zu verlängern?

Wir haben Daten für unsere Argumentation. Die Slowakei, die die nächste EU-Präsidentschaft innehat, hat eine ähnliche Situation. Insofern sind wir sehr optimistisch.

Gibt es einen Notfallplan?

Wenn nicht verlängert wird, würde das Österreich vor Probleme stellen. Es müsste dann umso attraktiver sein, hier zu arbeiten, damit genügend Ärzte bleiben.

Die FH sollen jetzt manche Fächer verstärkt anbieten, die bisher bei den Unis liegen. Genannt wurden BWL oder Jus. Die Unis wehren sich jetzt (siehe unten).

Wir legen uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, was einzelne Fächer angeht. Wir stehen am Anfang einer ergebnisoffenen Diskussion.

Zuletzt haben die FH immer wieder andere Ambitionen geäußert. Ist das der falsche Weg?

Ich halte das nicht für wirklich positiv. Die FH haben ein klares eigenes Profil. Der Sektor sollte darauf achten, sich nicht ähnlich den Unis zu entwickeln, indem er für das Promotionsrecht kämpft und sich stark für Grundlagenforschung einsetzt.

Laut Wissenschaftsratschef Antonio Loprieno muss man sich entscheiden: Will man viele mittelmäßige Unis – oder einige Spitzen-Unis. Was ist Ihre Vision?

Wir haben jetzt schon nicht lauter gleich gewichtete Unis. Wir vergeben einen beträchtlichen Teil der Mittel als Strukturmittel im Wettbewerb und haben internationale Steuerungsinstrumente. Durch Fächerabgleich und wenn die Lehre da und dort von den FH übernommen wird, habe ich mehr Möglichkeiten für die Forschung und eine Grundlage für die Exzellenz.

Ist die Zersplitterung bei den Fächern, die nun angegangen werden soll, ein Resultat einer fehlgeleiteten Uni-Autonomie?

Es ist sicher ein Produkt einer Autonomie, bei der jeder auf sich selbst geschaut hat. Wir hatten nie eine intensive Diskussion über die Zukunftsausrichtung der Hochschulen. Wenn ich unbeschränkte Mittel habe, kann ich dem zuschauen und sagen: Das ist wie eine Vielzahl von Pflanzen, und da sind wunderbare dabei. Da das aber der Staat finanziert, ist eine Koordinierung notwendig. Es kann nicht jeder alles zu jeder Zeit anbieten.

Es wurde ja Ihnen von vielen vorgeworfen, diese grundsätzlichen Debatten nicht zu führen.

Sie müssen das pragmatisch sehen. Ich bin für viele überraschend mit dem Ressort betraut worden. Dieses Thema zu einem Zeitpunkt anzugehen, zu dem noch absolut kein Vertrauen da war, wäre ausgesprochen ungeschickt gewesen. Jetzt widme ich mich dem auch vor dem Hintergrund der Studienplatzfinanzierung. Im Wissen, dass es da und dort Widerspruch geben wird. Und den halte ich jetzt aus.

An die Studienplatzfinanzierung, bei der die Unis grob gesagt eine Summe pro Studienplatz bekommen, glauben viele nicht mehr.

Sie ist deswegen verschoben worden, weil uns die strategischen Voraussetzungen gefehlt haben. Und weil ich nicht einverstanden war, einfach den Status quo abzubilden.

Ist sie nicht eher verschoben worden, weil sie einfach zu teuer ist?

Sie wäre zu teuer, wenn wir mehr vom selben machten. Ich muss mich mit den Ressourcen auseinandersetzen, die ich haben werde.

Heißt das eigentlich: Es wird sowieso nicht mehr Geld geben?

Zuerst erarbeiten wir Strategie und Ziele, und dann schauen wir, dass wir die finanzielle Abdeckung für das Notwendige haben. Aber wir schütten nicht einfach Geld ins System, um irgendwas zu machen.

Es gibt ja auch Ziele, die sich direkt auf das Finanzielle beziehen. Bis 2020 sollten zwei Prozent des BIPs in den Hochschulsektor fließen. Geht sich das aus?

Das wird schwierig werden, weil ich nicht jetzt in ein paar Jahren aufholen kann, was in den Vorjahren nicht angefangen wurde. Dass mehr Geld notwendig ist, begreife ich durchaus. Ich muss es nur vom Budget machen können.

Der Wissenschaftsrat hat zuletzt auch Studiengebühren angesprochen. Sie seien sinnvoll, darüber müsse man wieder diskutieren. Wollen Sie, werden Sie das tun?

Bei der nächsten Regierungsvereinbarung werden wir das Thema wieder haben, weil Studienbeiträge einfach viele Vorteile hätten. Aber jetzt ist das mit dem Koalitionspartner nicht als Thema vereinbart.

Sehr wohl vereinbart ist die Bildungsreform. Legen Sie die Hand ins Feuer, dass das etwas wird?

Ich glaube schon, dass wir einen Fortschritt erzielen werden. Der Riesenirrtum ist, dass alle glauben, dass von einem Tag auf den anderen alles anders wird. Es geht um die richtigen Schritte, etwa bei der Autonomie. Es sollte nicht alles an den Verwaltungsfragen aufgehängt werden.

Das klingt so, als gingen Sie nicht davon aus, dass man sich bei der Verwaltung einigt.

Ich gehe davon aus, dass wir umsetzen, was wir vereinbart haben. Dass immer Querschüsse kommen, liegt in der Natur des Themas.

Die Querschüsse kommen derzeit aus Ihrer eigenen Partei.

Man merkt auch bei der Debatte über die 15-Prozent-Grenze für die Gesamtschulversuche: Was der eigenen Partei in Wien zu viel ist, ist in Tirol zu wenig. Das ist keine Frage der Parteigrenzen, sondern eine der Perspektiven. Es wird bei so komplexen Themen immer unterschiedliche Meinungen geben. Letztlich wird es darum gehen, das gemeinsam zu beschließen.

ZUR PERSON

Reinhold Mitterlehner (60) ist nach fünf Jahren als Wirtschaftsminister seit 2013 auch Wissenschaftsminister. Gegen die Fusion der beiden Ressorts gab es zunächst einigen Widerstand. Der Jurist ist seit 2014 Vizekanzler und ÖVP-Chef.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2016)

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