Vier Ölförderländer haben sich gestern auf eine Produktionsdeckelung geeinigt. Der Markt ließ sich nicht täuschen. Er weiß, dass alles davon abhängt, ob sich heute der Iran dem Plan anschließt.
Wien. Die Telefone waren zuletzt glühend heiß gelaufen. Auch die Fußballmannschaft des russischen Energieministeriums konnte in den vergangenen Wochen nie sicher sein, ob sich Alexander Nowak, der Minister selbst, von der Arbeit lösen und es zum Abendtraining schaffen würde, wie seine Mitarbeiter erzählen. Vor allem sein venezolanischer Amtskollege, dessen Land unter allen Förderländern am meisten unter dem Ölpreisverfall der vergangenen eineinhalb Jahre leidet, hielt ihn auf Trab. Abwechselnd rief er in Russland, Saudiarabien und Katar an, um alle zu einem Treffen zu bewegen. Gestern dann war es so weit: Die Energieminister dieser vier Staaten verständigten sich zum ersten Mal seit Ende 2014 darauf, den Preisverfall zu stoppen, indem sie das Angebot auf dem Niveau von Jänner halten.
Bau von Luftschlössern
Was wie ein Durchbruch daherkommt, ist höchstens ein erster Schritt in Richtung Preisstabilisierung. Zum einen nämlich hängt die Einigung davon ab, ob auch andere Produzenten teilnehmen − allen voran der Iran und der Irak, weshalb Venezuelas Ressortchef, Eulogio Del Pino, heute nach Teheran reist. Zum anderen, weil die gestrige Einigung kein formales Abkommen darstellt und gar nicht auf eine Förderkürzung abzielt, sondern lediglich einen weiteren Förderzuwachs verhindern soll. Allemal bezeichnend, dass genau diese vier Staaten, die zuletzt auf Rekordniveau produzierten, für 2016 ohnehin keinen Zuwachs beabsichtigt haben. „Hier werden Luftschlösser gebaut“, sagt Eugen Weinberg, Ölanalyst der Commerzbank, zur „Presse“. Entsprechend hat der Markt auch reagiert: Die Ölnotierung, die am Vortag noch um sechs Prozent gestiegen war, sackte im Tagesverlauf um bis zu fünf Prozent ab. Die wichtigste Information aus Doha sei, dass die Produktionsländer bereits in große finanzielle Probleme geraten seien, so Weinberg.
Politik und Wirtschaft getrennt
Im Unterschied zu diesen vier Staaten führen der Iran und der Irak eine Produktionsausweitung im Schilde. Vor allem der Iran will das jetzige Exportvolumen bald auf die täglichen zwei Mio. Barrel aus der Zeit vor den Sanktionen verdoppeln. Dies vor dem Hintergrund, dass weltweit täglich 1,5 Mio. Barrel über Bedarf produziert werden.
„Der Iran spielt ein spezielles Spiel und kann angesichts von Wahlen völlig unvorhersehbar agieren“, so Alexej Malaschenko, Nahostexperte am Moskauer Carnegie-Institut. Dass sich hingegen die Russen mit den Saudis in Doha geeinigt haben, obwohl sie in Syrien gefährlich nah vor einer militärischen Konfrontation stehen, verblüfft Malaschenko nicht: „Beim Öl haben sie gemeinsame Probleme. Politik wird hier von Wirtschaft getrennt.“ Auch aus dem russischen Energieministerium heißt es, dass man mit den Saudis in ständigem konstruktiven Kontakt sei. „Einer politischen Annäherung mit Saudiarabien dient dies aber nicht“, so Malaschenko: Niemand wolle eine militärische Konfrontation in Syrien, aber Moskau sei daran interessiert, dass von großen Spannungen die Rede bleibe: „Nur so kann es seine Anwesenheit in der Region rechtfertigen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2016)