Doris Schretzmayer: „Ich wundere mich dauernd“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Vor 20 Jahren hat sie ihren ORF-Job gekündigt, um Schauspielerin zu werden: Doris Schretzmayer über Suche, Sucht und ihre Arbeit mit Müttern.

Urs Blank, gespielt von Moritz Bleibtreu, ist erfolgreicher Rechtsanwalt und harter Verhandler. Spezialgebiet: Fusionen. Doch dann schießt sich der Verlierer der letzten Fusion in den Kopf, und Blanks Welt gerät aus den Fugen. Nicht zuletzt, weil er aus seinem Stahl- und Glas-Frankfurt hinaus in den Wald flieht und dort in Gestalt von Nora von Waldstätten einer Verführerin mit Pilzen verfällt. Woraufhin sich seine letzten Hemmungen verflüchtigen.

„Die dunkle Seite des Mondes“ heißt die Verfilmung dieses Romans von Martin Suter, die derzeit im Kino läuft und auf der Berlinale. Doris Schretzmayer spielt darin Blanks Frau, die ihm durch den Wald hinterhersteigt, als wäre sie noch nie zuvor im Leben dort gewesen. Weit, sagt sie, sei diese Rolle von ihr entfernt gewesen. „Ich bin sehr naturverbunden, sehr gern draußen.“ Auch mit ihrem Sohn, der begeistert Schwammerln sammle.

Die Frage, die der Film für sie aufwirft, sei jene: „Wie weit sind wir bereit zu gehen, für Geld, für Erfolg, für einen guten Lebensstandard?“ Und ja, Skrupellosigkeit sei ihr nicht erst einmal begegnet. „Ich wundere mich oft, ich wundere mich dauernd, ehrlich gesagt. Ich versuche, beim Wundern zu bleiben, weil ich die Erfahrung gemacht hab', dass ich andere Menschen nicht ändern kann.“ Ihre Strategie: „Ich versuche halt, mit den Informationen, zu denen ich Zugang hab', oder den Dingen, die mich interessieren, mir mein Leben so zu bauen, dass es für mich immer wieder stimmig ist.“

„Eine Tür zumachen“

Sie hat früh damit angefangen. Mit Mitte 20 hat Schretzmayer ihre Karriere als Moderatorin beim ORF bereits wieder an den Nagel gehängt. 20 Jahre ist das jetzt her. „Ich habe beim Moderieren das Gefühl gehabt, dass mich eigentlich etwas anderes interessiert“, erinnert sich die 43-Jährige. Über das Sprechtraining mit einer Schauspielerin kam sie auf das Spielen. „Es ging dann relativ schnell. Ich war damals so mutig, beim ORF und bei Ö3 aufzuhören, weil ich mir gedacht habe, ich muss eine Tür zumachen, damit eine andere aufgeht. Ich war als junge Moderatorin erfolgreich, aber es hat mir nicht so viel bedeutet. Ich hatte das Gefühl, als Moderatorin bin ich zu den Dingen auf Distanz, und ich wollte näher an sie heran.“

Sie nahm privaten Unterricht, „dann kam gleich einmal eine erste Rolle, und noch eine, und dann schon die Kommissarin Lisa Engel.“ Die Serie hielt sich nicht, Schretzmayer schon. Auch mit kleinen Rollen. „Einer Figur wirklich Platz zu verschaffen, das hab' ich erst lange Zeit später gelernt. Wenn jemand aus einer kleinen Rolle etwas macht, was herausstrahlt und wo man denkt: So jemanden kenn' ich.“

Ihre Vorbereitung betreibt sie akribisch. „Bei einem Drehbuch will ich alles ganz genau wissen. Ich recherchiere wahnsinnig gern, auch für die anderen Figuren mit.“ Zumindest bis zu einem gewissen Punkt – „weil Information nur ein Teil ist. Für mich erschließt sich eine Figur in einem Wach-Traum-Zustand: In diesem Zustand, bevor man ins Schlafen kommt.“

Sie sei „süchtig nach Klarheit“, erklärte ihr der 2011 verstorbene Kollege Dietmar Mues, als sie mit ihm über Drogen und Alkoholmissbrauch diskutierte. „Und ja, das stimmt.“ Auch Religion ist so ein Thema, das sie ergründen will. „Ich bin auf dem Land aufgewachsen, komm' aus einer bäuerlichen Familie, und ich hab' nie das Gefühl gehabt, dass die große Fragen irgendwer stellt. Alle haben ihre Arbeit gemacht, ihr Leben gelebt und hin und wieder gemotschkert. Und sie sind immer in die Kirche gegangen. Für sie war das Beten, das Öffnen für eine andere Kraft, sehr wichtig.“ Es gebe ja Menschen, „die suchen ihr Leben lang überhaupt nix. Ich suche sehr viel, aber ich versuche, nicht im Suchen hängenzubleiben.“

Seit dem Sommer arbeitet Schretzmayer ehrenamtlich für den Verein Grow Together. Ein Filmprojekt war geplatzt, „und wenn man dann so dasitzt und sagt, jetzt hab' ich wieder keinen Job, da nerv' ich mich dann selbst“. Da sei ihr die Einladung des Vereins eingefallen, der schwangere Frauen begleitet, die im Leben kaum Chancen bekommen haben. „Wenn Frauen, die aus einem Milieu wie diesem stammen, Mütter werden, setzt sich die Geschichte, die sie selbst erlebt haben, fort.“ Ziel sei, diese Geschichte zu verändern. Schretzmayer arbeitet mit den jungen Frauen an Rollen. „Ich bin keine Therapeutin, aber ich kann ihnen die Möglichkeit geben, jemand anderen zu spielen und dadurch andere Handlungsspielräume zu erfahren.“

ZUR PERSON

Doris Schretzmayer moderierte u. a. auf Ö3 und in der Jugendredaktion des ORF („X-Large“). 1997 spielte sie in Stefan Ruzowitzkys „Tempo“, später in Marie Kreutzers „Die Vaterlosen“ und „Gruber geht“, im Fernsehen u. a. in „Braunschlag“ und „Cop Stories“. Aktuell ist sie im Kino mit Moritz Bleibtreu, Jürgen Prochnow und Nora von Waldstätten in „Die dunkle Seite des Mondes“ zu sehen. Mit Sänger Florian Horwath hat sie einen neunjährigen Sohn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.