Nach der Arbeitsmarktöffnung suchten hunderttausende Polen in Großbritannien einen Job. Ein EU-Ausstieg der Briten wäre für sie ein Hindernis.
Kaum ein Land setzt sich derart für den Verbleib der Briten in der EU ein wie Polen. Schätzungsweise 600.000 Polen haben nach der Öffnung des Arbeitsmarktes einen Job in Großbritannien gefunden. Polnisch ist angeblich gar die meist gesprochene Fremdsprache in Großbritannien. Großbritannien verhandelt derzeit intensiv um eine Neupositionierung innerhalb der EU - bzw. sollen die Briten nach Präsentation der Ergebnisse von Premier David Cameron über den Verbleib in der EU abstimmen.
Jede Einschränkung der Freizügigkeit wäre für die polnischen Migranten eine Katastrophe - vor allem, da mittlerweile fast die Hälfte von ihnen auf Dauer in Großbritannien bleiben will.
Für Europa sei der Brexit ein "ernsthaftes Problem", argumentiert der stellvertretende polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der im Kabinett von Ministerpräsidentin Beata Szydlo für wirtschaftliche Entwicklung zuständig ist, am Mittwoch in Warschau. "Ich hoffe, es kommt nicht dazu."
36,1 Milliarden nach Polen überwiesen
Die polnische Nationalbank ließ im vergangenen Jahr von einem Wirtschaftsinstitut eine Untersuchung über die Höhe der Gelder erstellen, die in EU-Länder ausgewanderte Polen in die Heimat überweisen. Demnach überwiesen sie in den Jahren 2004 bis 2013 insgesamt 36,1 Milliarden Euro nach Polen. Der Anteil dieser Gelder am polnischen Bruttosozialprodukt lag 2004 bei 1,4 Prozent, im Jahr 2013 betrug er 1,1 Prozent. Mittlerweile überweisen die polnischen Migranten jährlich etwa vier Milliarden Euro. Zum Vergleich: Aus EU-Fonds erhielt Polen im Untersuchungszeitraum 108 Milliarden Euro.
Auch wenn die nationalkonservative polnische Regierung bemüht sei, polnische Auswanderer zur Rückkehr nach Polen zu bewegen, beeinflusse dies nicht die Bemühungen um einen Verbleib Großbritanniens in der EU. "Diese Sache ist politisch zu wichtig für kleingeistige Kalkulationen", sagte Morawiecki. Die Überlegung: "Vielleicht kommen sie (die Migranten) nun zurück" sei bei der Brexit-Diskussion fehl am Platz.
(APA/dpa)