Falsch fördern, bis das Klima kippt

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Vier Milliarden fließen in Österreich jährlich in (Steuer-)Subventionen, die der Umwelt schaden, rechnet das Wifo vor. Die großen Brocken: Diesel, Pendler, Industrie und Wohnbau.

Österreichs Gesetzgeber zeigen Verständnis für viele, die es schwer haben: die Pendler mit ihren mühsamen Arbeitswegen, die energieintensive Industrie im harten Wettbewerb, die Frächter und die Häuslbauer. So ist es zu vielen Ausnahmen und Begünstigungen gekommen, bei denen die verständnisvollen Volksvertreter eines nicht bedacht haben: Sie steuern heute in Sachen Umwelt und Klimaschutz genau in die falsche Richtung. Wie stark, hat nun das Wifo ausgerechnet: Auf 3,8 bis 4,7 Mrd. Euro pro Jahr summieren sich die staatlichen Förderungen, die ökologischen Schaden anrichten.

Die meisten wirken indirekt durch Steuererleichterungen. Die Autorinnen beschränken sich auf Subventionen des Bundes, mit einer Ausnahme: der Wohnbauförderung, die zwar die Länder verwalten, aber sich großteils vom Bund finanzieren lassen. Gut ein Drittel der Regelungen kommt von außen, vor allem über EU-Richtlinien. Bei fast zwei Dritteln aber wäre eine nationale Änderung theoretisch jederzeit möglich. Genau das fordert Wifo-Chef Karl Aiginger.

„Unvorstellbar ungeschickt“

Denn unser Steuersystem lenke „unvorstellbar ungeschickt“. Die Studie zeigt, wo durch eine Neuverteilung der Mittel aus ökologischer Sicht viel zu holen wäre:
• Das Diesel-Privileg. Die Mineralölsteuer auf Diesel ist um rund neun Cent pro Liter niedriger als die auf Benzin. Damit wollte man die Frächter fördern. Aber der Preisvorteil gilt auch für Private. Das hat mit dazu beigetragen, dass der Diesel-Anteil an allen Pkw von 37 Prozent im Jahr 2000 auf 57 Prozent 2014 gestiegen ist. Heute weiß man: Diesel belastet die Umwelt deutlich mehr als Benzin. Laut Studie bei Treibhausgasen um „nur“ 13 Prozent mehr, bei Stickoxiden aber um den Faktor vier und bei Feinstaub um den Faktor sechs.
Pendlerpauschale. Ein verlässlich heißes Eisen, das in der Systematik des Steuerrechts noch ganz harmlos daherkommt: Kosten, die mit dem Beruf zu tun haben, soll man von der Bemessungsgrundlage der Steuer abziehen können.

Aber wo man sich ansiedelt, hat auch mit privaten Präferenzen zu tun – etwa weil man lieber im Grünen wohnt. Wen es mitten in die Stadt zieht, obwohl es dort sehr teuer ist, der kann diese Mehrkosten auch nicht absetzen. Dass man Fahrtkosten nicht zur „Lebenshaltung“ zählt, ist für die Autorinnen Daniela Kletzan-Slamanig und Angela Köppl „lediglich eine Konvention“. In vielen Ländern, wie den USA, Großbritannien oder Italien, gibt es keine Pendlerhilfen. Aus gutem Grund, meinen die beiden Umweltökonominnen: Sie „überfördern“ Pendler und „verzerren“ die Wohnsitzwahl, weil Fahrtkosten zur Arbeit keine Rolle mehr spielen.
Industrie. Seit 1996 gibt es Abgaben auf Strom und Erdgas. Ebenso lange werden Industrieunternehmen davon entlastet. Das Motiv: Sie brauchen oft viel Energie und sollen im internationalen Wettbewerb nicht durch zu hohe Kosten zurückfallen. Die Deckelung habe aber die Anreize für energieeffizientes Produzieren verringert. Von 2000 bis 2013 stieg sogar die Energieintensität (der Verbrauch pro produzierter Einheit) – gegen den europäischen Trend und ganz anders als bei Vorreitern wie Schweden. Im EU-Ranking fiel Österreich seit 2004 um vier Plätze zurück.

Aber was ist mit den Jobs, die bei Firmen wie der Voest auf dem Spiel stehen? Aiginger will keine Politik „gegen die Industrie“. Fällt die Deckelung weg, soll der Staat einen Teil der Mehrkosten kompensieren – aber durch gezielte Mittel für Forschung, Innovation und Qualifizierung von Arbeitskräften. Damit solle sich auch Europa insgesamt bei Zukunftstechnologien an die Spitze kämpfen, statt „defensiv“ den USA bei niedrigen Energiekosten nachzueifern.
Wohnbauförderung. Auch sie hat ein löbliches Ziel: für genug leistbaren Wohnraum zu sorgen. Hier schränkt die Studie die in Zahlen gegossene Kritik stark ein: auf die Förderung des Neubaus von Einfamilienhäusern. Er sei schädlich, weil er zusammen mit einer zu laxen Raumordnung zu einer starken Zersiedelung führe. Die Folge: mehr Straßen, mehr Verkehr, mehr Schadstoffe. Aiginger geht weiter: Wie Dänemark solle auch Österreich nur noch den Bau von Wohnungen zulassen, die mit erneuerbarer Energie beheizt werden. Selbst wenn die Politik nur die Hälfte der Klima-Gelöbnisse von Paris einhalte: „Wer heute eine billige Wohnung kauft“, mit schlechter Dämmung und fossiler Energie, „wird bald unter hohen Kosten leiden“ – und dann wohl nach neuen Subventionen vom Staat rufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2016)

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