SPÖ startet neuen Anlauf für Wertschöpfungsabgabe

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SPÖ-Pensionisten und ÖGB fordern Geld für den Sozialstaat. Stöger unterstützt Änderung „im Prinzip“, nur nicht als „Maschinensteuer“.

Wien. Je mehr ÖVP und Wirtschaft auf weitere Reformen zur Sicherung der Pensionen drängen (siehe Bericht unten), umso häufiger werden auf SPÖ-Seite nicht nur die Forderungen, Unternehmen zu verpflichten, ältere Arbeitnehmer im Beruf zu halten. Es mehren sich jetzt erneut die Stimmen, mit alternativen Finanzierungsformen Geld in das österreichische Sozialsystem zu pumpen. Beim Pensionsgipfel der Bundesregierung am 29. Februar soll deswegen die Umstellung auf eine Wertschöpfungsabgabe, die schon vor rund drei Jahrzehnten als „Maschinensteuer“ von der Wirtschaft abgeblockt wurde, mit auf den Verhandlungstisch kommen.

Demnach wäre, vereinfacht gesagt, die gesamte Wertschöpfung und nicht wie bisher die Lohnsumme für die Arbeit Basis für die Berechnung der Sozialbeiträge. Kapital würde mehr belastet, auch Mieten und Pachten könnten einbezogen werden, Investitionen im Unternehmen sollen ausdrücklich ausgenommen werden.

Senkung der Lohnnebenkosten

Der meiste Druck dafür kommt vom SPÖ-Pensionistenverband mit Präsident Karl Blecha an der Spitze und vom Gewerkschaftsbund mit Präsident Erich Foglar. Einerseits sollen mit einer Wertschöpfungsabgabe die Mittel für die Finanzierung der Pensionen und des gesamten Sozialstaats aufgebracht werden. Andererseits soll die in Österreich hohe Abgabenbelastung des Faktors Arbeit durch die Lohnnebenkosten verringert werden.

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) unterstützt grundsätzlich dieses Anliegen: „Das Prinzip ist richtig“, betont er im Gespräch mit der „Presse“. Es handle sich bei der Wertschöpfungsabgabe um „ein klassisches Thema“, wie man die in Österreich hohen Lohnnebenkosten reduzieren könne. Vor dem Hintergrund der Veränderungen in der Arbeitswelt und der Digitalisierung hat Stöger, der als Infrastrukturminister zuvor für staatliche und staatsnahe Unternehmen zuständig war, dabei aber nicht das einst von einem seiner Vorgänger, Ex-Sozialminister Alfred Dallinger, angestrebte Modell einer „Maschinensteuer“ im Auge. Es soll eine Variante sein, bei der Betriebe nicht für technische Fortschritte bestraft werden.

Bis zum Pensionsgipfel der Bundesregierung bleiben außerdem nicht einmal mehr zwei Wochen Zeit. Abgesehen vom Widerstand der Wirtschaft und der ÖVP gegen neue Belastungen gibt es daher allein schon wegen der nur mehr knappen verbleibenden Zeit Zweifel. „Schauen wir, ob es realistisch ist, das kurzfristig umzusetzen“, meint Stöger.

Sein Nachfolger im Infrastrukturministerium, Gerald Klug (SPÖ), der wie Stöger aus der Metallergewerkschaft kommt, erklärt der „Presse“: „Ich bin für eine gerechte Finanzierung.“ Das bedeutet: Gewerbe und Bauern werden stärker herangezogen, damit die Deckung durch Beiträge an ASVG-Versicherten angeglichen wird. „Ob das mit einer Wertschöpfungsabgabe unterstützt wird, da möchte ich dem Sozialminister nicht in seine politische Aufgabe dreinreden“, so Klug.

Gewerkschaftspräsident Foglar ist da weniger zimperlich und zurückhaltend. Er verwahrt sich wie Minister Stöger gegen die von ÖVP und Wirtschaft wiederholt geforderte Einführung einer Pensionsautomatik, bei der das gesetzliche Pensionsalter unter bestimmten Voraussetzungen beständig an die steigende Lebenserwartung angeglichen wird.

„Wirtschaft mauert nur“

Eine „Demontage des Sozialstaates“ lehnt er ab. Dem Vorwurf der Reformverweigerung hält Foglar entgegen, dass die Wirtschaft „nur mauert“, wenn es um eine Wertschöpfungsabgabe zur Senkung der Lohnnebenkosten, eine frühere Einführung des Bonus-Malus-Systems vor 2018 oder gar um eine Arbeitszeitverkürzung gehe.

Für Blecha ist die Umstellung auf eine Wertschöpfungsabgabe Fixpunkt beim Pensionsgipfel. Bei Vertretern von Industrie und Wirtschaft lässt das die Alarmglocken schrillen, weil sie zusätzliche Belastungen befürchten.

AUF EINEN BLICK

Pensionsgipfel. Morgen, Freitag, trifft die Arbeitsgruppe von SPÖ und ÖVP zur Vorbereitung des Pensionsgipfels der Regierung zusammen. Auf SPÖ-Seite sind Sozialminister Alois Stöger und Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm im Verhandlungsteam, auf ÖVP-Seite Finanzminister Hans Jörg Schelling und der ÖVP-Sozialsprecher im Nationalrat und ÖAAB-Generalsekretär, August Wöginger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2016)

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